München/Innsbruck - Übergewicht und Adipositas haben bereits bei Kindern und Jugendlichen starke Auswirkungen auf die Herz-Kreislauf-Risikofaktoren. Während über 80 Prozent aller normalgewichtigen Studienteilnehmer keinen einzigen Risikofaktor hatten, war das in einer aktuellen Studie bei nur 17 Prozent der übergewichtigen und bei nur 2 Prozent der adipösen der Fall. Im Durchschnitt hatten die Übergewichtigen neben dem Übergewicht zwei weitere, und die Adipösen sogar drei weitere Risikofaktoren. Die Studienergebnisse wurden auf dem Europäischen Kardiologenkongress (ESC) vorgestellt, bei dem ab 25. August in München 30.000 aktive Teilnehmer aus mehr als 150 Ländern zusammen kommen.
"Es sollte also bei übergewichtigen Kindern und Jugendlichen nicht darauf gewartet werden, dass Herz-Kreislauf-Risiken im Erwachsenenalter auftreten werden", so Otmar Pachinger, Leiter der Innsbrucker Universitätsklinik für Innere Medizin III und Präsident des Österreichischen Herzfonds, "sondern es muss bereits bei Kindern auf das ihrem Alter entsprechende Körpergewicht geachtet werden."
Im Rahmen des Nürnberger Präventions-Erziehungs-Programms (PEP) wurde untersucht, inwieweit sich die negativen Zusammenhänge bei Übergewicht bereits im Jugendalter manifestieren. Als Risikoparameter wurden der Taillenumfang, der Taillen/Größen-Quotient, das Körperfett, der systolische und diastolische Blutdruck, Triglyceride, LDL- und HDL-Cholesterin ausgewählt. Den stärksten Anteil hatten die aus Größe, Gewicht und Taillenumfang abgeleiteten Risikofaktoren. Auch bei den Laborwerten nahmen die kardiovaskulären Risikofaktoren mit dem höheren Körpergewicht zu. Erhöhte Triglyzeride zum Beispiel waren bei den übergewichtigen Mädchen drei Mal so häufig. Diese Tendenz bestätigte sich auch bei den Burschen.
Häufig Herzmuskel-Veränderungen
Übergewicht und Adipositas sind aber bei Kindern und Jugendlichen nicht bloß ein Risikofaktor für spätere Herz-Kreislauf-Krankheiten. Eine auf dem ESC-Kongress vorgestellte Studie vom Herzzentrum in Leipzig zeigt, dass Übergewicht bereits im Kindesalter mit einer verschlechterten systolischen und diastolischen Funktion der linken Herzkammer einhergehen kann. Das Forscherteam untersuchte mittels Ultraschall adipöse und normalgewichtige Kinder auf das Vorliegen von Veränderungen des Herzmuskels.
"Deshalb ist es besonders wichtig, bei der Prävention möglichst früh anzusetzen: mit Information, Erziehung und geeigneten Bewegungs- und Ernährungs-Programmen," betont Pachinger. Denn Übergewicht im Kindesalter ist nebenbei auch mit orthopädischen Problemen, Depressionen und reduzierter Lebensqualität assoziiert.
Kardiologische Zeitbombe
Die zunehmende Verbreitung von Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern, so Pachinger, „ist eine kardiologische Zeitbombe." Übergewicht ist heute in der EU die häufigste gesundheitliche Störung im Kindesalter, es gibt neben den 150 Millionen adipösen Erwachsenen bereits 15 Millionen adipöse Kinder. Unter Österreichs Elfjährigen sind nach den Angaben der WHO bereits 9 Prozent der Mädchen und 14 Prozent der Burschen übergewichtig bis fettleibig. (red, derStandard.at, 24.8.2012)