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In Österreich sind rund fünf Prozent der Mädchen gegen HPV geimpft.

Foto: APA/Mick_Tsikas

Alpbach - Der deutsche Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen setzt bei der Krebsbekämpfung vor allem auf Prävention. "Wir sind von einer wirklichen Bekämpfung des Auftretens des Krebses noch weit entfernt", so zur Hausen. "Deshalb müssen wir Vorbeugung betreiben, auf ganz verschiedenen Sektoren." Der Wissenschafter, der 2008 für seine Arbeiten über Human Papilloma Viren (HPV) den Nobelpreis erhielt, spricht heute, Donnerstag, bei den Technologiegesprächen beim Forum Alpbach über "Durchbrüche und Erwartungen im Kampf gegen den Krebs".

Es gebe zwar Fortschritte, "die Krebssterblichkeit geht in den meisten Gegenden leicht zurück", betonte zur Hausen. "Auf der anderen Seite steigen die Erkrankungszahlen weiter an - und das praktisch in der ganzen Welt, insbesondere aber in der westlichen Welt." Dies habe einerseits mit der zunehmenden Lebenserwartung zu tun - "aber das scheint nicht alles abzudecken".

"Katastrophale" Situation

Daher sei die Vorbeugung so wichtig, etwa im Bereich der Impfungen: "In Österreich ist ja die Situation besonders katastrophal", sagte zur Hausen im Zusammenhang mit der Tatsache, dass in Österreich derzeit nur rund fünf Prozent der Mädchen gegen unter anderem Gebärmutterhalskrebs auslösende HPV geimpft sind, während andere Industriestaaten auf Impfraten von bis zu 90 Prozent kommen. "Dass Sie hier eine so niedrige Rate haben, ist fast ein Skandal", so zur Hausen. "Man kann nämlich voraussagen, wie viele Frauen deswegen später an Krebs erkranken und sterben, weil sie jetzt nicht geimpft wurden." Auf Österreich umgelegte Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO gehen von jährlich rund 600 Erkrankungen und 300 Todesopfern aus.

Würde man global gegen die beiden Haupterreger von Krebs, die Papillom-Viren und die Hepatitis-B-Virus-Infektion, impfen, könnten laut zur Hausen rund eine Mio. Krebserkrankungen verhindert werden. Bei Frauen seien das etwa zwölf bis 14 Prozent aller Krebserkrankungen, bei Männern vier bis fünf Prozent.

Hohe Kosten

Als einen der Hauptgründe für die niedrige HPV-Durchimpfungsrate sieht zur Hausen die hohen Kosten für die drei Teilimpfungen von je 200 Euro, die von der Sozialversicherung nicht abgedeckt werden. "Ich habe immer gesagt, dass die Kosten für die Impfung überhöht sind." Auf der anderen Seite habe eine ganze Reihe von Regierungen erfolgreich mit dem Impfstoffherstellern verhandelt. In England seien die Kosten auf 20 Pfund (25,4 Euro) pro Impfung gesenkt worden, in Vietnam auf 20 Dollar (16,1 Euro). "An Ihrer Stelle würde ich die Gesundheitsbehörden und Kassen auffordern zu verhandeln. Das darf nicht verschlafen werden." Prävention sei immer kostengünstiger als heilen.

Neben Impfungen müsse aber auch die Lebensführung geändert werden, also "die Art unserer Ernährung, Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht - das sind alles vermeidbare Risikofaktoren", betonte zur Hausen. Allerdings seien Medizinstudium und ärztliche Fortbildung kaum auf Prävention ausgerichtet, sondern fast nur auf Therapie. "Das ist verständlich von der Aufgabe der Mediziner her, aber es ist ein Fehler in unserem System, weil wir damit nicht erreichen, dass die Krebsraten zurückgehen."

Dass Prävention etwas bringe, zeigten etwa die Kampagnen gegen das Rauchen. Bei Männern seien die Lungenkrebsraten bereits leicht zurückgegangen, bei den Frauen stehe diese Entwicklung "derzeit an der Kippe - es beginnt auch zurückzugehen": "Aber es hat 50 Jahre Propaganda gebraucht, um das zu erreichen", so zur Hausen. Künftig müsse noch mehr getan werden, auch auf anderen Gebieten wie etwa dem Übergewicht. "Wir müssen intensiv Aufklärung betreiben, nicht nur bei der Bevölkerung, auch bei den Ärzten." (APA, 24.8.2012)