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"Es kommt ein Punkt im Leben jedes Menschen, an dem er sagen muss 'genug ist genug.' Für mich ist dieser Punkt jetzt gekommen".

Foto: dapd/Michael Paulsen

Austin/Washington - Lance Armstrong bleibt angesichts der schweren Dopingvorwürfe bei seiner bisherigen Verteidigungsstrategie. Der 40-jährige Texaner sieht sich als zu Unrecht Verfolgter, beharrt darauf, nie gedopt zu haben, will sich aber gegen die Beschuldigungen nicht länger zur Wehr setzen.

Armstrong spricht von "Hexenjagd"

Der Rekordsieger der Tour de France gab am Donnerstagabend (Ortszeit) auf seiner Homepage bekannt, dass er sich nicht dem Schiedsgericht der US-Anti-Doping-Agentur stellen werde und schrieb von einer "Hexenjagd" durch deren Chef Travis Tygart. Die USADA will den zuletzt als Triathleten aktiven Star nun lebenslang sperren und alle seine Resultate seit 1. August 1998 streichen. Armstrong droht zudem die Aberkennung von Siegen bei der Tour de France.

"Es kommt ein Punkt im Leben jedes Menschen, an dem er sagen muss 'genug ist genug.' Für mich ist dieser Punkt jetzt gekommen", erklärte Armstrong, der als Athlet ein großer Kämpfer war, in einem ausführlichen Statement. Von einem Schuldeingeständnis war trotz belastender Aussagen ehemaliger Teamkollegen nichts zu lesen. "Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat, meine Teamkollegen und alle, gegen die ich gefahren bin, wissen, wer die Tour siebenmal gewonnen hat", betonte Armstrong. "Es gab keine Abkürzungen, es gab keine speziellen Behandlungen. Dieselben Strecken, dieselben Regeln."

"Heute schließe ich diese Seite"

Er schlage nun ein neues Kapitel auf und wolle sich künftig verstärkt seiner Stiftung zum Kampf gegen Krebs widmen, sagte Armstrong, der seine größten Erfolge nach einer überstandenen Krebserkrankung feierte. "Heute schließe ich diese Seite. Ich werde dieses Thema nicht mehr ansprechen, unabhängig von den Umständen", schrieb Armstrong am Donnerstag.

Seit vergangenem Montag, als ein Gericht in seiner Heimatstadt Austin eine Klage gegen die Ermittlungen der USADA abgewiesen hatte, besaß Armstrong keine Chance mehr, die Schiedsgerichts-Verhandlung zu verhindern. Eine Verurteilung hätte zur Folge gehabt, dass er offiziell als Dopingsünder gegolten hätte. So bedauerte denn auch John Fahey, der Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur, dass sich Armstrong nicht einem öffentlichen und gerechten Verfahren gestellt habe. Das deute stark auf ein Schuldeingeständnis hin, erklärte Fahey. "Man kann das nicht anders interpretieren."

"Das ist ein trauriger Tag für alle"

Travis Tygart, dessen Agentur Armstrong im Juni aufgrund von Aussagen von zehn Zeugen formal des Dopings angeklagt hatte, sah sich keineswegs als Sieger. "Das ist ein trauriger Tag für alle, die den Sport und heldenhafte Athleten lieben. Es ist ein herzzerreißendes Beispiel dafür, wie die Kultur des Gewinnens um jeden Preis den fairen und ehrlichen Wettbewerb untergräbt, wenn nicht genau kontrolliert wird. Es ist aber auch eine Erinnerung, dass für künftige Generationen Hoffnung besteht, mit gleichen Chancen und ohne leistungsfördernde Mittel anzutreten."

Der Radsport-Weltverband, der vergeblich versucht hatte, den Fall an sich zu ziehen, reagierte am Freitag mit einem kurzen Statement. Nachdem die USADA die Gerichtsbarkeit übernommen habe und Armstrongs Ergebnisse seit 1998 annullieren und ihn lebenslang sperren wolle, erwarte die UCI nun, dass eine Entscheidungsbegründung in Übereinstimmung mit dem Artikel 8.3 vorgelegt werde. Dieser Artikel betrifft Fälle, in denen es keine Einvernahme des Beschuldigten gegeben hat. Bis dahin gebe es keine weitere Stellungnahme, hieß es in der UCI-Erklärung.

Steroide und Blutdopingmittel?

Die USADA wirft Armstrong vor, mit Hilfe von Steroiden und Blutdopingmitteln zu seinen Tour-Siegen von 1999 bis 2005 gekommen zu sein. Und auch mit illegalen Substanzen gehandelt zu haben. Sie stützt sich wohl auch auf Unterlagen aus den zweijährigen Ermittlungen der US-Staatsanwaltschaft wegen missbräuchlicher Verwendung von öffentlichem Geld für Dopingzwecke im Team US Postal. Dieses Verfahren wurde eingestellt, Zeugen haben den Ermittlern unter Wahrheitspflicht aber wohl einiges berichtet.

Armstrong hat die Einnahme verbotener Substanzen stets bestritten. Er betonte, die USADA sei gar nicht dafür zuständig, zudem würden mit dem Verfahren seine verfassungsmäßigen Rechte verletzt. "Ich weigere mich, an einem Verfahren teilzunehmen, das so einseitig und unfair ist", betonte Armstrong außerdem. Es gebe nämlich "keinerlei physische Beweise" für die Dopingvorwürfe.

Anschuldigungen von allen Seiten

Das Image des Superstars hatte schon vor mehreren Jahren große Kratzer abbekommen. Im Juli 2004 hatten zwei Journalisten in einem Buch schwere Dopingvorwürfe erhoben, seine Ex-Teamkollegen Floyd Landis und Tyler Hamilton schlossen sich den Anschuldigungen 2010 und 2011 an. "Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", sagte Hamilton einmal dem TV-Sender CBS. Dem Zeitfahr-Spezialisten war erst jüngst sein Olympiasieg von 2004 endgültig aberkannt worden, Landis verlor ebenfalls wegen Dopings nachträglich seinen Tour-Sieg von 2006. Beide haben eigenes Doping allerdings erst nach jahrelangem Leugnen gestanden.

Armstrongs Teamchef bei seinen Tour-Siegen, der Belgier Johan Bruyneel, meinte, der Prozess sei ungerecht. "Es tut mir leid für Lance und für den Radsport generell", schrieb der aktuelle RadioShack-Teammanager, der ebenfalls von der USADA beschuldigt wird, in seinem Blog am Freitag. "Lance hat nie einen fairen Kampf in seinem Leben aufgegeben, daher unterstreicht die heutige Entscheidung, wie ungerecht dieser Prozess gewesen ist." (APA, 24.8.2012)