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Der Einsatz der Fußfessel ist umstritten. Fachleute sind von ihr überzeugt.

Foto: dpa/Arne Dedert

Wien - Verurteilter Sexualstraftäter mit Fußfessel - und nicht hinter Gittern: Die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Linz, einen Salzburger Hundetrainer, der wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs einer 15-Jährigen zwei Jahre teilbedingte Haft erhalten hatte, hat hohe Wellen geschlagen. Teile der heimischen Politik zeigten sich empört. Der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs setzt sich für eine differenziertere Sichtweise ein.

"Zuerst einmal: Die Fußfessel bedeutet keineswegs Freiheit. Es handelt sich um ein ganz strenges System. Man darf arbeiten gehen, einkaufen, zum Arzt - aber das war's dann auch schon." Der Betroffene würde sich sehr bemühen, "nur ja nichts zu tun, weil jede Abweichung auch zum sofortigen Widerruf des bedingten Teils der Strafe führen kann. Der Vorteil solcher Maßnahmen: Es besteht ein besonderer Anreiz, sich angemessen zu verhalten", so Fuchs.

Genaue Prüfung unerlässlich

Doch für den Strafrechtsexperten setzt die Fußfessel eine minuziöse Prüfung des jeweiligen Falles voraus. Ganz entscheidend sei natürlich auch die Frage, wie oft der Verurteilte bereits straffällig geworden ist. Während das im September 2010 eingeführte Instrument für Wiederholungstäter weniger tauglich sei, gehört für Fuchs die Fußfessel bei erstmaliger Verurteilung und guter Prognose ausgeweitet.

"Die Rückfallgefahr ist geringer, als wenn ich jemanden einsperre." Soll heißen: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Sexualstraftäter mit Fußfessel am Bein abermals vergewaltigt, ist wesentlich kleiner als eine erneute Tat nach drei Jahren Gefängnis. Laut Fuchs kamen schon einige Studien zu dem Schluss: Mit einer Fußfessel können bessere Effekte erzielt werden, weil die Schaffung eines sozialen Umfeldes (Arbeitsplatz, eigener Wohnsitz) sehr zur Integration beitrage. Fuchs: "In dem Augenblick, in dem man einsperrt, hat man alle Möglichkeiten ausgeschöpft."

Den aktuellen Fall will der Wiener Strafrechtsprofessor - schon wegen fehlender Detailkenntnis - nicht kommentieren. "Nur so viel: Ich bin sicher, dass das OLG Linz sehr sorgfältig geprüft hat, davon bin ich überzeugt." 

"Weißer Ring"-Präsident kritisiert Therapieangebote

Ähnlich wie Fuchs äußerte sich auch der Präsident der Opferhilfeorganisation "Weißer Ring", Udo Jesionek, zu dem Fall: "Grundsätzlich richtig, dass man kein Delikt (von der Fußfessel, Anm.) ausnimmt, aber man muss schon ganz genau aufpassen, dass (vom Täter, Anm.) keine Gefahr ausgeht", so Jesionek. Bei der Fußfessel herrschten strenge Regeln: "Und wenn derjenige g'scheit ist, dann hält er sich auch dran. Beim rational denkenden Menschen ist das kein Problem, bei Triebtätern ist das halt eine andere Sache."

Ein weiteres Problem in Österreich sei das mangelnde Therapieangebot in der Haft. "Natürlich nützt es nichts, einfach nur einzusperren. In Deutschland und den Niederlanden werden Therapieversuche gemacht, mit großem Erfolg." Die gäbe es auch hierzulande - nur eben in viel zu geringem Ausmaß. "Derzeit wird in Österreich Therapie für Sexualstraftäter viel zu wenig angeboten, es gibt auch viel zu wenig Betreuungspersonal."

Für Jesionek ist auch klar, dass "alles besser ist als nur einsperren", denn wenn es "die Möglichkeit gibt, einen Job auszuüben, das soziale Umfeld wahrzunehmen, dann ist das natürlich eine gute Sache". Er befinde sich diesbezüglich "in einem Zwiespalt, weil einerseits habe ich wenig Mitleid, andererseits kann so ein Mensch nur beschränkt etwas dafür".

Im Fall des Salzburger Hundetrainers hofft der Präsident des Weißen Rings, dass "ganz genau geprüft wurde", fügte aber hinzu: "Das OLG Linz ist bekannt für akribisches Vorgehen." (APA, 22.8.2012)