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Sind Foren wirklich "Schlammpools des Ressentiments" (Armin Thurnher), und was kann man dagegen tun?

Foto: APA/DPA/Bernd Settnik

Liebe Community,

Markus Beckedahl von netzpolitik.org macht seinem täglichen Ärger mit den PosterInnen in dem Artikel Einfach mal die Kommentare schließen? Luft: "Ich hab keine Lust mehr auf eine Kommentarkultur, wo sich die Hälfte aller Kommentatoren nicht im Ton beherrschen können und ständig einfach irgendwas oder irgendwen bashen - in der Regel mit Beleidigungen und/oder Unterstellungen, die gerne auch mal falsche Tatsachenbehauptungen sind." Und er löst damit eine Debatte in der deutschen Medienlandschaft aus.

Trotz unterschiedlicher Herangehensweisen bei der Forenmoderation stehen viele Onlinemedien vor der gleichen Frage: Wie kann diesen "Schlammpools des Ressentiments" (Armin Thurnher im Gespräch mit Michael Fleischhacker, "Falter" 34/12) das Wasser abgegraben werden? Denn eines ist klar, da stimme ich sogar einmal mit Richard Schmitt in der heutigen Printausgabe der "Kronen Zeitung" (Kommentar "Irgendwie reicht's" auf Seite 21) überein: "Hier passiert eine klare Grenzüberschreitung. So darf man nicht miteinander umgehen - es reicht. Wirklich."

Foren sind kein rechtsfreier Raum

Liebe PosterInnen: Unsere Foren sind kein rechtsfreier Raum, Sie müssen hier Gesetze und Rechtsvorschriften einhalten. Üble Nachrede, Beleidigung, gefährliche Drohung oder ähnliche Tatbestände werden auch im Internet verfolgt, ein Pseudonym schützt nicht vor möglichen strafrechtlichen Konsequenzen.

Maßnahmen zur Verbesserung der Kommentarkultur

Wir haben uns Anfang des Jahres mit Ihnen über Maßnahmen für eine Qualitätssteigerung in unseren Foren unterhalten. Sie haben in dieser Debatte viele gute Vorschläge eingebracht, dafür vielen Dank! Wir haben uns dazu entschlossen, sowohl auf technischer Ebene die Foren weiterzuentwickeln (da sind wir mitten in der Umsetzung) als auch auf organisatorischer und sozialer Ebene mit Ihnen, der Community, an Verbesserungen zu arbeiten. Ich persönlich halte die soziale Ebene letztlich für die entscheidende Instanz, denn Communitys bestehen aus Menschen und deren Interaktionen, sie sind ein Ausschnitt von Gesellschaften.

Der Versuch einer Erziehung ...

Teil der Maßnahmen auf sozialer Ebene ist es, PosterInnen darauf hinzuweisen, warum bestimmte Postings nichts in den Foren verloren haben. Das machen wir einerseits generell und öffentlich, wie zum Beispiel in der Posting-Debatte hier im Update-Blog, andererseits individuell und auf direktem Weg. Wir treten mit PosterInnen per E-Mail in Kontakt und thematisieren die Forenregeln anhand konkreter Postings. Ich bin überzeugt davon, dass viele der PosterInnen, die in ihren Beiträgen rechtliche oder soziale Grenzen überschreiten, dies nicht aus bösem Willen tun. Sie erkennen - oft in der Hitze einer Diskussion - die Grenzen nicht. Wir bemühen uns, diese aufzuzeigen. Häufig führt die Metakommunikation über Postings zu einem größeren Verständnis und zu einer positiven Verhaltensänderung.

... gescheitert bei Anton K.

Doch nicht immer. Eine intensive, kräfteraubende Kommunikation mit einem Sockenpuppen-Betreiber war leider nicht erfolgreich. Meist erkennen unsere RedakteurInnen (und auch die Community-Mitglieder) relativ rasch, wenn jemand mehrere Accounts betreibt; der individuelle Sprachduktus ist verräterisch. In dem speziellen Fall handelt es sich um einen User, nennen wir ihn Anton K., der sich immer wieder neu registriert, meist nur wenige Kommentare schreibt, die manchmal, aber nicht immer den Forenregeln zuwiderlaufen, und den Account nach einiger Zeit nicht mehr weiter benützt. Sockenpuppen stören die Diskussion, weil sie eine Vielzahl von UserInnen vortäuschen und damit das Meinungsbild verzerren.

Als Anton K. uns einmal von sich aus kontaktierte, um zu fragen, warum ein bestimmter seiner Beiträge gelöscht wurde, sah ich eine Chance, ein individuelles Gespräch per E-Mail zu beginnen. Mehrfach schrieben wir also hin und her, und ich versuchte herauszubekommen, welche Beweggründe Herr K. dafür hat, immer wieder neue Accounts anzulegen. Zuerst wollte er die Existenz mehrerer Accounts gar nicht zugeben, dann jedoch ließ er sich darauf ein. Seine Begründung für dieses Vorgehen war, dass ja immer wieder Beiträge von ihm gelöscht würden.

Jetzt ist der Moment gekommen, dachte ich mir, einen Deal vorzuschlagen: Ich sicherte Anton K. zu, dass er einen Account unter Beachtung der Community-Richtlinien vollkommen ungestört nutzen könne. Bedingung dafür sei aber, dass er keine weiteren anlegt. Er willigte schließlich ein. Die Freude darüber währte aber nur kurz: Kaum wurde ein hetzerischer, verschwörungstheoretischer Beitrag gelöscht, fing das alte Sockenpuppen-Spiel wieder an.

Metakommunikation zur Forenkultur ist wichtig

Auch wenn ich hier die unerfreuliche Geschichte eines gescheiterten "Erziehungsversuchs" geschildert  habe: Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass viele PosterInnen die Kommentarkultur nicht absichtlich und häufig unbewusst stören. Eine (leider sehr aufwendige) Metakommunikation darüber kann hier vieles ins rechte Licht rücken. Eine kleine Gruppe von UserInnen sind jedoch tatsächlich Trolle - da nützt keine Argumentation. Trolle müssen ausgesperrt und, wenn dies nicht möglich ist, von RedakteurInnen und Community-Mitgliedern weitgehend ignoriert werden. (Christian Burger, derStandard.at, 22.8.2012)