Im Gespräch mit Thomas Trenkler ist sie mit 2012 zufrieden.
STANDARD: Markus Hinterhäuser, Intendant des Jahres 2011, findet es unerträglich, dass sein Nachfolger Alexander Pereira den Eindruck erwecke, die Festspiele seien vor ihm "ein Kleinunternehmen und ein Sanierungsfall" gewesen. Ärgern auch Sie sich über Pereira?
Helga Rabl-Stadler: Neue Intendanten lieben es, die Rettungsoper anzustimmen. Pereira darf sich glücklich schätzen, die Festspiele in so wunderbarer Verfassung zu übernehmen - und die Festspiele können glücklich sein, einen Intendanten mit so großem Gestaltungswillen zu haben. Ganz anderer Meinung bin ich bezüglich Pereiras Statement, die Festspiele seien ein Weltunternehmen, das nichts mit Salzburg zu tun habe. Auch Global Player brauchen lokale Wurzeln. Die Festspiele dürfen nicht einmal im Jahr wie eine Wolke über der Stadt schweben und sich dann entladen, sie müssen fester Bestandteil sein. Wir brauchen die Zuneigung der Salzburger. Ich werde versuchen, Pereira davon zu überzeugen.
STANDARD: Gerüchteweise soll die Stimmung in der Künstlerschaft schlecht sein: Anna Netrebko, Birgit Minichmayr und Ben Becker fühlen sich angeblich nicht mehr wohl in Salzburg.
Rabl-Stadler: Ich hab das nicht feststellen können. Die Künstler sind mit Pereira sehr zufrieden. Er tut alles dazu, dass sie hier das Beste geben können, und er schafft alle Hindernisse aus dem Weg. Wenn Sie schlechte Nachrichten wollen, müssen Sie sich an jemanden anderen wenden.
STANDARD: Es hagelte Kritik an Pereira, beispielsweise von Gastronom Sepp Schellhorn.
Rabl-Stadler: Mit Zurufen während der Festspiele ist niemandem gedient. Nach Saisonende werden Pereira und ich uns zusammensetzten. Für mich gilt generell: Allen muss klar sein, dass die Festspiele der Star sind. Jeder Intendant kann Änderungen machen, aber das Schiff fährt weiter. Dieses Schiff hat eine Eigenkraft. Jeder Intendant hat sich dem Mythos Salzburger Festspiele ein- und unterzuordnen.
STANDARD: Der Autor Karl-Markus Gauß meinte, das Programm sei uninspiriert und beliebig. Er findet die neue Ouverture spirituelle mit geistlicher Musik sogar "richtig ungustiös" - weil sie nur dazu diene, mehr Umsatz zu machen. Können Sie die Kritik akzeptieren?
Rabl-Stadler: Nur weil sie von einem geschätzten Freund stammt. Die Ouverture spirituelle wie auch die Bestellung von Cecilia Bartoli zur Kuratorin der Pfingstfestspiele sind zwei wundervolle Ideen von Pereira. Die Festspiele nachdenklich einzustimmen - gerade in einer Stadt, in der die Kirche eine solch dominante Rolle gespielt hat: Ich weiß nicht, warum uns das nicht schon früher eingefallen ist. Aber ich verstehe Karl-Markus Gauß, dass er das Reden übers Geld als zu viel empfindet. Da muss man wirklich aufpassen! Pereira wird völlig zu Unrecht unterstellt, dass ihn nur das Geld und nicht die Kunst interessiert. Aber ein bisschen Schuld trägt er selbst daran. Weil er zu viel über das Geld redet.
STANDARD: Wir müssen trotzdem ein bisschen übers Geld reden. Als Präsidentin sind Sie schließlich fürs Budget zuständig. Zu meiner großen Verblüffung bekomme ich auch kurzfristig für fast jede Veranstaltung Karten, selbst für den "Jedermann" und für Daniel Barenboim. Die Festspiele sind alles andere denn ausverkauft.
Rabl-Stadler: Sie waren auch nicht ausverkauft bei Peter Ruzicka, Jürgen Flimm und Markus Hinterhäuser. Ich verstehe nicht, warum sich ein Qualitätsmedium wie der Standard für die Quote interessiert. Interessieren sollte Sie, ob wir mit unserem Budget auskommen. Und das tun wir. Wir wussten, dass die Ouverture spirituelle, die zum ersten Mal stattfand, nicht ausverkauft sein kann. Wir rechneten daher mit einer Quote von 70 Prozent. Diese haben wir erreicht. Bei der zeitgenössischen Oper Die Soldaten sind wir sogar drüber. Und insgesamt schaut das Zwischenergebnis sehr gut aus. Mit 1. August haben wir die vorsichtig budgetierten Einnahmen erreicht; jede Karte, die wir seither verkaufen, bedeutet ein Plus. Wir sind derzeit 900.000 Euro über Plan. Ob wir die Rekordauslastung von 2011 mit 95 Prozent erreichen, wird davon abhängen, wie sich die Orchesterkonzerte der letzten Woche verkaufen. Ich bin total entspannt.
STANDARD: Man verschenkt sogar Karten an die Freunde.
Rabl-Stadler: Nein. Die Freunde haben heuer 1,9 Millionen Euro für die Sanierung der Felsenreitschule beigesteuert. Im Gegenzug erhalten sie, wie auch in den vergangenen Jahren, als Dank für das hohe Spendenaufkommen Karten zum stark reduzierten Preis. Das finde ich richtig - aus drei Gründen: Es stärkt die Bindung zu den Freunden, wir bekommen für eine nicht ausverkaufte Vorstellung Geld - und der Künstler sitzt vor einem vollen Haus.
STANDARD:Man wirft Pereira vor, um den Geldadel zu buhlen. Nicht ganz ohne Grund: Er veranstaltet einen Ball für Betuchte. Die Karten kosten bis zu 750 Euro. Ist das nicht ein falsches Signal, das die Festspiele aussenden?
Rabl-Stadler: Wenn der Ball Geld fürs Programm einspielt: Warum nicht? Für mich hat niemand einen Ball erfinden müssen, ich bin keine Tänzerin. Aber ich kann mich zu diesem Ball bekennen. Denn die Idee, besinnlich zu starten - und glamourös zu enden, ist gut. Ohne die Ouverture spirituelle wäre der Ball allerdings viel schwieriger zu argumentieren.
STANDARD: Das Interesse scheint sich in Grenzen zu halten: Es gibt nach wie vor Karten.
Rabl-Stadler: Machen Sie sich keine Sorgen. Das Tanzparkett wird voll von Menschen sein.
STANDARD: Heuer wurden insgesamt um 20.000 Karten mehr aufgelegt als 2011. Alexander Pereira hegt weitere Expansionspläne. Werden Sie ihn unterstützen?
Rabl-Stadler: Pereira hat in der letzten Kuratoriumssitzung glaubhaft versichert, dass keine weitere Expansion geplant ist. Das war mir wichtig, nicht nur, weil ich kaufmännisch die Verantwortung trage. Wir müssen aufpassen mit der Ausweitung des Kartenangebots. Erstens aus kommerziellen Gründen: Die Knappheit des Gutes Festspielkarte ist unser bestes Marketingtool. Aber auch aus philosophischen Gründen: Salzburg ist eine kleine Stadt, die mitspielen muss.
STANDARD: Überall im Festspielbezirk hängen nun Rolex-Uhren, die ziemlich billig ausschauen.
Rabl-Stadler: Das finde ich nicht. Und ich bin sehr dankbar, dass uns Cecilia Bartoli geholfen hat, Rolex als Sponsor zu gewinnen. Mein Anliegen war es immer, die Festspiele zu internationalisieren. Wenn wir schon die Musik als Sprache haben, die keine Grenzen kennt, wollen wir uns nicht nur auf das deutschsprachige Publikum konzentrieren. Da hilft uns ein Global Player wie Rolex besonders.
STANDARD: Wird nun Credit Suisse einen Bankomat aufstellen dürfen?
Rabl-Stadler: Die Uhren sind doch ein Service für alle, die keine Armbanduhr tragen. Für mich zum Beispiel. Ich hab da kein schlechtes Gewissen. Auch wenn Sie jetzt gleich wieder den Verdacht hegen, dass der Sponsor die Spielstätten entweiht und das Programm bestimmt. Beides ist nicht wahr.
STANDARD: Bürgermeister Heinz Schaden mahnt zur Vorsicht: Die Sponsoren tragen schon fast so viel wie die öffentliche Hand zum Budget bei. Er verlangte eine genaue Liste der Sponsoren.
Rabl-Stadler: Bei den Sponsoreneinnahmen gibt es 2012 sogar ein großes Plus gegenüber dem Budget. Wir haben für 2013 schon sehr schöne Zusagen. Selbstverständlich sind noch nicht alle mit einem Vertrag besiegelt. Das braucht es auch nicht. Wenn mir ein Sponsor, den ich schon seit Jahren kenne, 900.000 Euro für Don Carlos zusagt, dann bin ich einfach glücklich und weiß, dass ich auf ihn vertrauen kann.
STANDARD: Der Vertrag von Uniqa läuft heuer aus. Gerüchteweise hat das Versicherungsunternehmen kein Interesse mehr, Hauptsponsor zu sein.
Rabl-Stadler: Uniqa springt nicht ab, wir machen gemeinsam weiter - aber wahrscheinlich in einer anderen Form.
STANDARD: Sie brauchen also einen neuen Hauptsponsor?
Rabl-Stadler: Ich weiß noch nicht, ob wir das überhaupt anstreben. Alexander Pereira und ich wollen in Zukunft viel mit privaten Mäzenen kooperieren. Sie für neue Projekte zu entflammen macht besondere Freude.
STANDARD: Sie haben vorhin "Don Carlos" erwähnt. Was steht noch auf dem Programm 2013?
Rabl-Stadler: Dass Sven-Eric Bechtolf die Da-Ponte-Opern inszenieren wird, hat bereits Dirigent Franz Welser-Möst ausgeplaudert. Er beginnt mit der Così. Nach dem Erfolg seiner Ariadne auf Naxos freue ich mich darauf. Bechtolf und Welser-Möst sind ein Dreamteam für Mozartopern.
STANDARD: Wer wird der neue Jedermann? August Diehl, der heuer den Prinzen von Homburg spielte?
Rabl-Stadler: Das darf ich nicht verraten. Mein Freund Bechtolf würde mich umbringen.
STANDARD: Auch Flimm wollte Ihnen einmal die Gurgel umdrehen.
Rabl-Stadler: Das war nicht Flimm, sondern Frank Baumbauer. Allerdings habe ich ihn, nicht er mich bei den Festspielen überlebt. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 22.8.2012)