Was macht man mit einer veralteten Güterbahn-Trasse, die seit Jahren ungenutzt im Weg steht?

Auf den ersten Blick könnte man das Gefühl bekommen, am Wiener Gürtel vor der U6 zu stehen: unten dichter Stadtverkehr, oben die überfüllten Züge der U-Bahn. Doch ein Detail ist hier gravierend anders: die Natur hat sich die Zugstrecke zurückgeholt und die verlassenen Gleiskörper sind jetzt New Yorks neuer "High Line Park".

Foto: Michael Hierner / www.hierner.info

Neun Eingänge laden zum Besuch des High Line Parks ein - vier davon sind sogar barrierefrei mit dem Lift erreichbar. Der südlichste Aufgang befindet sich in der Gansevoort Street, wo der Gleiskörper einst mit der Stahlsäge abgeschnitten wurde. Die ursprünglich 21 Kilometer lange Strecke im "Meatpacking District" ging hier noch kilometerweit in Richtung Süden und diente als Transportweg zwischen verschiedenen Schlachthöfen und fleischverarbeitenden Betrieben. Die meisten Teile dieser Bahnstrecke wurden jedoch ab 1960 mehr und mehr abgerissen.

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Betritt man den Park, lässt man die Hektik und den Stress New Yorks hinter sich. Wie grün eine ehemalige Zuglinie sein kann, verblüfft viele: ein Effekt, der die "Friends of the High Line" mit Stolz erfüllt. Die Initiative rund um Robert Hammond gilt als Retter der Gleiskörper, für die bereits eine Abrissgenehmigung vorlag.

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So ganz darf die Stadt natürlich nicht fehlen, sie wird jedoch zur Kulisse degradiert. Neben vieler moderner Architektur haben hier auch "Klassiker" wie das Empire State Building (rechts im Bild) einen Logenplatz.

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Der High Line Park ist zwar 2,33 Kilometer lang, meist jedoch nur einige Meter breit. Deshalb sind verschiedene Regeln besonders wichtig: neben einem Rauch- und Hundeverbot sind auch Skateboards, Rollerblades und Fahrräder tabu. Die wichtigste Regel ist jedoch: Bleib am Weg und berühre keine Pflanzen!

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Dass der Park trotz seiner schmalen Dimension nicht fad wird, liegt unter anderem auch daran, dass er sich in verschiedenen Teilen immer wieder kreativ variiert. Mal geht der Besucher auf einem Steinweg, dann wieder auf Holzbalken. In einigen Teilen erstreckt sich die Natur komplett über die ganze Breite und der Besucher wandert über einen Steg in luftiger Höhe darüber.

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Neben der Natur darf auch das Element "Wasser" nicht fehlen. Wer statt dem kühlen Nass aber lieber die Sonne genießen möchte, legt sich auf eine der Liegeflächen.

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Kostenmäßig ist die Realisierung eines solchen Projektes nicht unbedingt günstig. Die millionenschwere Investition soll sich aber durch die Aufwertung des Stadtteils sowie zahlreiche neue Wohn- und Bürogebäude wieder hereinspielen. Der gesetzte Impuls lockt letztendlich auch zahlreiche Touristen an: Der High Line Park gilt als ein Symbol für das neue, grüne New York.

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Gleichzeitig wurden mit dem High Line Park auch Jobs geschaffen und damit sozial schwachen Menschen eine Chance gegeben. "Ich kann mir keinen schöneren Job in New York vorstellen", sagt etwa Rashid P., der seit einigen Jahren als Gärtner am Projekt mitarbeitet.

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Die Pflanzen des Parks wurden übrigens bewusst auf Basis jener Pflanzen ausgewählt, die sich im Lauf der letzten Jahrzehnte durch die Verwilderung angesiedelt haben. Leider wurden jedoch nicht die originalen Blumen, Bäume und Sträucher verwendet, sondern neue gepflanzt. Einige Kritiker sind sich sicher, dass hier viel Geld eingespart hätte werden können.

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Die ursprüngliche Bahnstrecke verband auch viele Gebäude miteinander, mittlerweile wird der einst ungenutzte Raum zwischen den Stationen auch für Gastronomie und als Veranstaltungsort verwendet.

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Kreativität und Witz sind auch an einer anderen Stelle des Parks zu finden: Hier wurde ein halber Abgang kurzerhand zum Amphitheater umfunktioniert, in dem Schaulustige entspannt die darunter hektisch vorbeifahrenden Autos beobachten können.

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Ansichten eines Industriedenkmals: Neben, unterhalb und auf der High Line.

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In einem echten Park darf natürlich auch ein Zoo nicht fehlen. Dass die Affen, Giraffen, Löwen und Elefanten hier jedoch nur aus Papier sind, stört nicht, denn das Projekt steht symbolisch für verschiedene weitere Kunstprojekte, die entlang der High Line zu sehen sind.

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Eine besondere visuelle Magie entwickelt der Park vor allem in der Nacht. Dafür sorgen neben einem ausgeklügelten Beleuchtungskonzept auch die tausenden Lichter der Skyline von New York. Um 22 Uhr ist damit dann allerdings wieder Schluss und der Park und seine Pflanzen sind dann bis 7 Uhr früh sich selbst überlassen - so wie auch in den Jahrzehnten davor, als der Park noch eine verlassene Bahnlinie war.

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Apropos unbenutzt: Auch in Wien gibt es ähnliche verlassene Bahnlinien in erhöhter Lage, auf denen ein "Wiener High Line Park" jederzeit möglich wäre. Zwischen Spittelau und Heiligenstadt etwa befindet sich ein Teil der ehemaligen Stadtbahn, der in der Länge sogar mit dem New Yorker Original vergleichbar wäre.

Dass eine solche Idee auch für europäische Verhältnisse nicht unrealistisch ist, zeigt ein Beispiel aus Paris: Hier wurde bereits vor Jahren auf der "Promenade Plantée" ebenfalls eine alte Zugstrecke zum Park umgewandelt.

Wie würden Sie die Idee eines "High Line Park" in Wien finden - sinnvolle Idee oder sinnlose Spinnerei? (Michael Hierner, derStandard.at, 22.8.2012)

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