Rennen, stürzen, fallen, schießen und dazwischen noch an der Identitätsfindung arbeiten: Colin Farrell als Quaid/ Hauser und Jessica Biel als Melina in Len Wisemans Remake von "Total Recall".

Foto: Sony Pictures

Wien - Ein Mann wacht morgens auf und hat schlecht geträumt. Er sieht sich und eine Unbekannte in Schutzanzügen beim Marsspaziergang. Dann gibt es einen Unfall, der Mann wacht panisch auf. Er kann sich diesen wiederkehrenden Albtraum nicht erklären.

Für alle, die sich nicht erinnern: "We Can Remember It For You Wholesale". So heißt jene Kurzgeschichte des Science-Fiction-Autors Philip K. Dick, die Paul Verhoeven 1990 als Erster fürs Kino adaptierte. Ein Ausblick auf eine Zukunft, in der man Erdbewohnern künstliche Erinnerungen einpflanzt: als Urlaubsreiseersatz oder als "Urlaub von sich selbst", genannt "Egotrip".

Als der von seinem Traum gepeinigte Mann sich beim Anbieter Rekall solche erbaulichen künstlichen Erinnerungen verschaffen will, stellt sich heraus, dass schon seine primären Erinnerungen nicht echt sind: Jemand hat ihn manipuliert. Er ist nicht der, der er zu sein glaubt. Und er hat die Häscher eines gewissen Cohaagen im Nacken, der das Wohl von Erd- und Marsbewohnern seinen Interessen unterordnet - wogegen sich bewaffneter Widerstand formiert.

Unser Mann muss seinen Platz - und die richtige Frau dazu - also schleunigst finden. Vor 22 Jahren wurde er von Arnold Schwarzenegger verkörpert. Der spielte und kämpfte sich wacker und relativ geradlinig durch teils fast abstrakt wirkende, karge Räume, durch New-Wave-Spelunken, Stollen und rötliche Erdmassen. Im Remake von Len Wiseman ("Underworld") hat der vergleichsweise farblose Colin Farrell übernommen. Kate Beckinsale und Jessica Biel sind (statt Sharon Stone und Rachel Ticotin) jetzt die beiden Frauen, die diesen nicht mehr ganz so schön unverschämt küssen und jagen.

Da und dort wird auf die Wiedererkennung des Verhoeven-Films gesetzt. Visuell hat sich Wiseman aber mehr beim überbordenden, verspielten Setdesign von "Blade Runner" bedient als bei der produktiven Reduziertheit seines Vorbilds. Rasante Wechsel der Bewegungsachsen verleihen den Verfolgungsjagden teils beachtliche Dynamik. Zwischen den Stürzen, Haken und Sprüngen, Schusswechseln und Ausweichmanövern bleibt allerdings der erzählerische Zusammenhang auf der Strecke. Den sportlichen Helden, der nicht mehr im Steinbruch werkt, sondern Polizeiroboter fertigt, beschäftigt die Suche nach seiner Identität diesmal jedenfalls mehr als der Freiheitskampf.

1990 erzählte "Total Recall" von einer Zukunft, die unsere Gegenwart inzwischen eingeholt hat - und vielleicht ist er gerade deshalb die sehenswertere Version. Nicht nur die Nacktscanner, Bildschirmtelefone oder die Displays in der U-Bahn sind Realität. Dem Mars kommen wir gerade näher. Der Egotrip ist längst rehabilitiert. Und den "Recall" kennt man heutzutage aus Talentshows mit Dieter Bohlen. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 22.8.2012)