Washington - Nach dem Auftakt Anfang Mai geht das „Jahrhundert-Verfahren" gegen fünf mutmaßliche Haupthintermänner der Terroranschläge vom 11. September 2001 in den USA in eine neue Runde. Am Mittwoch beginnt vor einem Militärsondergericht im US-Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba eine mehrtägige Anhörung. Der zuständige Richter James Pohl muss über rund 25 Anträge zur Gerichtsprozedur entscheiden, die hauptsächlich von den Angeklagten und deren Verteidigern stammen. So fordern die Anwälte etwa eine Einstellung des Verfahrens - ein Vorstoß, der von vornherein als aussichtslos gilt. Bei einer ersten Anhörung am 6. Mai hatten die Männer hartnäckig geschwiegen und jede Mitwirkung an dem Verfahren verweigert.

Angeklagt sind der mutmaßliche Chefplaner der Anschläge, Khalid Sheikh Mohammed, und Ramzi Binalshibh, der zur Hamburger Zelle um den Todespiloten Mohammed Atta gehörte. Daneben müssen sich Ali Ab al-Aziz Ali, Mustafa Ahmad al-Hawsawi und Walid bin Attash vor dem Militärtribunal verantworten. Hauptanklagepunkte sind Terrorismus, Flugzeugentführung, Verschwörung, Mord, Angriff auf Zivilisten, vorsätzliche schwere Körperverletzung und Zerstörung von Eigentum. Im Fall eines Schuldspruchs im Hauptverfahren, das voraussichtlich nicht vor Mai nächsten Jahres beginnen wird, droht den sogenannten „Guantanamo Five" die Todesstrafe.

Anträge der Angeklagten

In der zweiten Runde der Anhörung geht es unter anderem um Anträge der Angeklagten auf Vorladung bestimmter Zeugen und um das Recht auf Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen den Verteidigern und ihren Mandanten. Im Vordergrund dürfte auch die Frage stehen, ob Beweismaterial publik gemacht werden darf, wenn es Fragen der nationalen Sicherheit berührt. Die Regierung als Anklagebehörde wehrt sich gegen Vorstöße von der anderen Seite, solche Informationen zu veröffentlichen. Sie will laut einem Antrag auch nicht als geheim eingestuftes Material unter Verschluss halten, „wenn eine Veröffentlichung dem öffentlichen Interesse zuwiderläuft".

Bei den Terrorattacken in den USA vor mehr als zehn Jahren waren rund 3.000 Menschen ums Leben gekommen. Damals hatten islamistische Terroristen vier Passagierflugzeuge entführt. Mit zwei Jets legten sie die Zwillingstürme des World Trade Center in New York in Schutt und Asche. Ein weiteres Flugzeug flog ins Pentagon (Verteidigungsministerium) in Washington, das vierte stürzte im Staat Pennsylvania ab.

Die "Guantanamo Five"

KHALID SHEIKH MOHAMMED wurde am 1. März 2003 in Rawalpindi nahe der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gefasst und den USA übergeben, die eine Belohnung von 25 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt hatten. Der enge Vertraute von Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden bezichtigte sich dann selbst in Verhören, nicht nur Chefplaner von 9/11 zu sein, sondern auch von rund 30 anderen Anschlägen - so auf das World Trade Center 1993 und Bali 2002 - und Anschlagsversuchen, darunter auf die Ex-US-Präsidenten Bill Clinton und Jimmy Carter. „KSM" ist der Onkel von Ramzi Yousef, der als Drahtzieher des 1993er Anschlags auf das World Trade Center zu lebenslanger Einzelhaft verurteilt wurde. Er galt bei westlichen Geheimdiensten als Chef der Auslandsoperationen der Al-Kaida. Sheikh Mohammed wurde Mitte der 1960er Jahre in Kuwait geboren. Er soll auch eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der Al-Kaida gespielt haben.

Er besuchte Mitte der 80er Jahre ein College in den USA, ehe er dort sogar ein Studium in Ingenieurwesen abschloss, bevor er sich vor 9/11 an die Seite Bin Ladens nach Afghanistan zurückzog. Nach seiner Festnahme hielten ihn die USA in einem Geheimgefängnis der CIA an unbekanntem Ort fest. Im Herbst 2006 wurde er dann nach Guantanamo verlegt. Schon vor 9/11 stand Sheikh Mohammed weit oben auf der FBI-Liste der meistgesuchten Terroristen.

RAMZI BINALSHIBH wurde im September 2002 ebenfalls in Pakistan, in Karachi, gefasst. Kurz vor dem ersten Jahrestag der Anschläge gaben er und Sheikh Mohammed noch ein Fernsehinterview, wo sie detailliert die Planungen für die 9/11-Anschläge beschrieben. Demnach waren zunächst Angriffe auf US-Atomkraftwerke geplant. Davon hätten die Terroristen aber aus Furcht, die Attentate könnten „außer Kontrolle" geraten, wieder abgesehen. Auch auf Binalshibh war eine Ergreiferprämie in Höhe von 25 Millionen Dollar ausgesetzt.

Der heute 39-jährige Jemenit gilt als Cheflogistiker der „Hamburger Zelle" um den Todespiloten Mohammed Atta, die maßgeblich an der Planung und Ausführung des 11. September beteiligt war. Binalshibh kam 1995 nach Deutschland, in Hamburg besuchte er das hochschulvorbereitende Studienkolleg. Im Stadtteil Harburg lebte er mit Atta und dem flüchtigen Deutsch-Marokkaner Said Bahaji in einer gemeinsamen Wohnung.

Binalshibh soll 1999 zwei Monate lang in einem Al-Kaida-Trainingslager in Afghanistan gewesen sein und im Jahr darauf an einem Treffen ranghoher Al-Kaida-Mitglieder in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur teilgenommen haben, wo es wohl um 9/11 ging. Nach Angaben des FBI versuchte Binalshibh im Jahr 2000 vergeblich, ein Visum für die USA zu erhalten, um sich dort an einer Flugschule in Florida ausbilden zu lassen. Gegenüber dem TV-Sender Al-Jazeera bestätigte Binalshibh, dass er der „20. Mann" der Flugzeugentführer hätte sein sollen. Doch erneut scheiterte das Vorhaben an der Weigerung der US-Behörden, ihm ein Visum auszustellen. Binalshibh soll sich danach auf die Logistik und Finanzierung des Terrorangriffs verlegt haben. Wenige Tage vor dem 11. September 2001 verschwand er aus Deutschland.

Zu den Guantanamo Five gehören noch:

MUSTAFA AHMAD AL-HAWSAWI, ein Saudi-Araber, der von Sheikh Mohammed beauftragt gewesen sein soll, Geld für die Terroranschläge von September 2001 zu sammeln

ALI ABD AL-AZIZ ALI, ein Neffe von Sheikh Mohammed aus Pakistan, der angeblich ein Verbindung der Al-Kaida zum „Schuhbomber" Richard Reid herstellte und an einem Anschlagsplan auf das US-Konsulat in Karachi beteiligt war, als er festgenommen wurde und der Jemenit WALID BIN ATTASH (alias KHALLAD), der zwei der Flugzeugentführer geholfen haben soll, die Attentate vorzubereiten. Auch er soll bei seiner Festnahme 2003 einen Anschlag auf das US-Konsulat in Karachi geplant haben. (APA/dpa, 21.8.2012)