Andy Baum ist einer von zahlreichen Initiatoren, die ein modernes Urheberrecht fordern.

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Die Festplattenabgabe ist weiterhin eine Priorität von "Kunst hat Recht".

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Die Initiative "Kunst hat Recht" fordert ein modernes Urheberrecht und eine finanzielle Absicherung für Kreative und KünstlerInnen. Zuletzt hat "Kunst hat Recht" Beschwerde eingelegt, da die seit 2010 eingehobene Festplattenabgabe nicht an die zuständigen Stellen geflossen sei. Diverse österreichische KünstlerInnen unterstützen das Begehren, das auch "wirksame Instrumente der Rechtsdurchsetzung bei Urheberrechtsverstößen im Internet" fordert. Der WebStandard hat mit Mitinitiator und Musiker Andy Baum über die Pläne der Initiative gesprochen und darüber, wie man das Urheberrecht verbessern könnte.

derStandard.at: Wenn man sich als Außenstehender die Medienberichte der letzten Zeit ansieht, bekommt man schnell das Gefühl, dass das einzige Anliegen von "Kunst hat Recht" die Festplattenabgabe ist. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Baum: Ich würde es gar nicht als Vorwurf sehen, denn es ist medial gerade ein zentrales Thema. Es ist mit Sicherheit nicht das einzige Anliegen, aber es ist ein sehr dringliches. Und es ist eines, um das wir uns in den nächsten Wochen und Monaten ganz massiv bemühen werden.

derStandard.at: Für viele hat die Festplattenabgabe einen negativen Beigeschmack. Diese Menschen wollen nicht für etwas zahlen, das lediglich potenziell für das Speichern illegaler Inhalte verwendet werden könnte. Es gibt ja auch Leute, die auf ihren Festplatten selbst geschossene Fotos speichern.

Baum: Das ist ja eine propagandistische Entwicklung, um ein gefährliches Wort in den Mund zu nehmen, dass die Festplatten- bzw. Leermedienabgabe einen so schlechten Leumund hat. In Wahrheit ist sie die logische Konsequenz der Leerkassettenabgabe. Diese war seinerzeit ein Interessenausgleich, der zwischen den UrheberInnen und den Verwertungsgesellschaften, von denen die UrheberInnen vertreten werden, und dem Handel ausgedealt wurde.

Im Grunde ist es den Kreativen nicht vorzuwerfen, dass sich die technischen Gegebenheiten geändert haben. Wenn ich heute einen Download starte, dann ist die Festplatte der Tonträger der heutigen technischen Möglichkeiten. Dass dieser Download dann auf den iPod kommt oder auf ein Handy, ist im Grunde genau das, was man vor 15 oder 20 Jahren schon mit der Kassette hatte.

Es ist über mehrere Studien evident, dass die Festplatte zu einem großen Teil zu Unterhaltungszwecken genutzt wird. In einem Staat wie dem unseren ist es nicht unüblich, dass man für Dinge mitzahlt, die man nur wenig oder gar nicht nutzt. Wir finanzieren alle das Burgtheater und die Staatsoper mit, aber nicht alle gehen hin. Es ist nicht einzusehen, warum bestimmte Berufsgruppen davon auszuschließen sind.

derStandard.at: Wäre es dann nicht besser zu sagen, man zwackt einen Teil von öffentlichen Geldern ab, um genau das zu finanzieren?

Baum: Das müsste man sich im Detail ansehen, dazu gibt es bereits verschiedene Ansätze.

derStandard.at: Dass das Gesetz der Technik hinterherhinkt, ist nichts Neues. Haben Sie schon konkrete Vorstellungen darüber, wie ein modernes Urheberrecht aussehen könnte? Gibt es dazu schon Arbeitsgruppen innerhalb der Initiative?

Baum: Wenn ich ein Urheberrechtsexperte wäre, wäre mir gerade wohler - oder auch nicht. Ich bin keiner, aber das Einzige, das ich mit einem unbedarften Zugang zum Gesetzestext und zu dessen Anwendbarkeit sagen kann: Ich erkenne, dass das Urheberrechtsgesetz in seiner jetzigen Form Bedingungen berücksichtigt, die sich in den letzten Jahren drastisch verändert haben. Es ist daher dringend notwendig das Gesetz anzupassen.

Das muss aber für alle, die von diesem Gesetz betroffen sind, funktionieren. Nicht nur aus Sicht derjenigen, die aufgrund der Basis des Urheberrechtsgesetzes die Basis für ihr Einkommen hatten. Das Urheberrechtsgesetz finanziert ja niemanden. Es gibt aber kreative, künstlerische und kulturelle Entwicklungen, in denen das Urheberrechtsgesetz in seiner jetzigen Form kontraproduktiv ist.

Einige Argumente, die von den KritikerInnen unserer Aktion kommen, sind durchaus nachvollziehbar und ernst zu nehmen. Die Forderung, die ich an ein neues Urheberrechtsgesetz stelle: Es muss möglichst alle Betroffenen berücksichtigen und Rechtssicherheit herstellen.

derStandard.at: Auf der "Kunst hat Recht"-Website wird immer wieder von "Gratiskultur" gesprochen. Jetzt weiß man aber, dass beispielsweise Künstler wie Radiohead und andere auch Alben online stellen und diese durch freiwillige Spenden finanzieren. Das Modell scheint sich für einige Bands bewährt zu haben. Was halten Sie davon?

Baum: Ich finde das super. Das Tolle daran ist, dass Radiohead diese Entscheidung allein getroffen haben, weil sie im Besitz aller dafür notwendigen Rechte waren. Das ist gut, wenn das geht. Schlecht ist es, wenn jemand diese Entscheidung nicht trifft und trotzdem im Internet präsent ist. Obwohl er oder sie es nicht selber veranlasst hat.

derStandard.at: Nicht jeder kann es sich leisten, beispielsweise ins Theater zu gehen. Und nicht jeder kann es sich leisten, die neuesten Alben seiner Lieblingsmusiker zu kaufen. Wie müsste denn ein Modell aussehen, damit die Menschen, die trotzdem Musik hören möchten, nicht kriminalisiert werden?

Baum: Ich bin ja mit dem Begriff "Gratiskultur" nicht sehr zufrieden. Aber um nochmals auf Radiohead zurückzukommen: Diese Band hat ja ihre Musik aus Spotify zurückgezogen, weil das Verhältnis zwischen der Menge der Abrufe ihrer Musik und dem, was sie dabei verdient haben, so was von lächerlich war, dass sie darauf verzichtet haben.

Wenn ich heute 13 oder 14 Jahre alt bin und ständig mit Werbeangeboten für Handys mit 35.000 Titeln Musik beschossen werde, dann ist völlig klar, dass in mir kein Bewusstsein wachsen kann, dass das etwas kostet. Da weiß niemand, dass da jemand gearbeitet hat dahinter. Dieser Prozess wird nicht vermittelt.

derStandard.at: Ist das nicht eine ganz normale Entwicklung? Unsere Kinder werden sich an das Kaufen von CDs nicht mehr erinnern. Bei SMS war das auch so: Früher haben die viel gekostet, heute kosten sie in Wirklichkeit nichts mehr, weil sie in einer Flatrate enthalten sind. Wäre dann nicht auch eine Kultur-Flatrate eine gute Sache?

Baum: Ich bin kein Gegner einer Kultur-Flatrate oder einer Abgabe auf den Internetanschluss oder wie auch immer die Modelle heißen. Es wird ohnehin nicht gelingen, ein Modell zu finden, das alle Beteiligten glücklich macht. Aber es gibt unter den verschiedenen Möglichkeiten welche, die gangbarer sind, und welche, die zu oberflächlich sind.

derStandard.at: Das heißt, sie empfinden eine Kultur-Flatrate als zu oberflächlich?

Baum: Eine Gebühr auf einen Internetzugang halte ich nicht für zu oberflächlich. Man müsste sich dann anschauen, wie man mit Industrieanschlüssen und Unternehmen umgeht oder Anschlüssen für sozial Schwächere. Die nächste große Diskussion, an der vieles scheitert: Wer monitort das, wer bewertet es, wer hebt das Geld ein und wer verteilt es auf Basis welcher Mechanismen? Und da sind wir ja in dem Kampf, der momentan im Hintergrund stattfindet.

derStandard.at: Es schockiert manche, dass Sie das Vorgehen bei der Zuverfügungstellung von urheberrechtlich geschützten Materialien verschärfen wollen. Ohne staatliche Netzüberwachung wäre das aber gar nicht richtig möglich, meinen Sie nicht?

Baum: Ob es eine staatliche sein muss, weiß ich nicht. Dazu bin ich viel zu wenig Techniker. Ich kann es nicht abschätzen, was tatsächlich notwendig ist. Sollte ein sogenannter Deep-Package-Eingriff notwendig sein, bin ich dagegen. Ich halte das für nicht gut und nicht praktikabel.

derStandard.at: Es wäre ja nicht möglich herauszufinden, wer was wann online zur Verfügung stellt, ohne zu überwachen.

Baum: Es geht gar nicht um den Download, sondern um den Upload. Ich halte es für ein Katastrophenszenario, wenn 13- oder 14-Jährige in ihren Wohnzimmern oder Kinderzimmern kriminalisiert werden, weil sie sich die neuesten Hits herunterladen. Das halte ich für Schwachsinn. Ansetzen muss man dort, wo gewerblich mit der Absicht, direkt oder indirekt daraus Gewinne zu lukrieren, Upload stattfindet.

derStandard.at: Meinen Sie so etwas wie Megaupload?

Baum: Ja, so was wie Megaupload.

derStandard.at: Bei Megaupload hatten die User aber auch völlig legale Inhalte upgeloadet. Rein theoretisch kann man in jeder Cloud illegal erworbene Inhalte einstellen und den Freunden den Zugriff gewähren.

Baum: Deshalb fordern wir ja die Leermedienabgabe. Es geht ja darum, dass über das Zurverfügungstellen von kreativen Inhalten die Rechteinhaber nicht gefragt wurden. Und wo es nicht zu einer Abgeltung kommt, wenn Gelder damit lukriert werden, muss es eine Möglichkeit geben, dass die Rechteinhaber zu marktüblichen Konditionen beteiligt werden oder dass dieses Zurverfügungstellen unterbunden wird. Wenn jemand mit meiner Musik ohne meine Einwilligung Geld verdient, ist es nur fair, dass ich daran mitverdiene.

derStandard.at: Es geht also gar nicht um den kleinen Bürger, der sich ein oder zwei Lieder downloadet? In den USA wurden Leute zu extremen Geldstrafen aufgrund weniger Downloads verurteilt.

Baum: Ich halte ja auch diese Abmahnungsindustrie für absurd. Das in den USA sind ja Schauprozesse, die haben mit der Alltagspraxis nichts zu tun. Deshalb ist eine konstruktive Auseinandersetzung dringend notwendig.

derStandard.at: Was halten Sie von Handelsabkommen wie ACTA?

Baum: Ich halte von Abkommen, die leumundtechnisch schon so komisch daherkommen und eigenartig ausgehandelt wurden und auch aufgrund eines massiven Lobbyismus entstanden sind, recht wenig.

derStandard.at: Müsste man diese Urheberrechtslösung nicht auf internationaler Ebene bringen?

Baum: Das passiert. Aber leider auf einer Ebene, zu der wir keinen Zugang haben. Die Telekommunikations- und Unterhaltungsindustrie kocht Süppchen, von denen wir keine Ahnung haben. Wir haben ohnehin das Problem, dass wir das angloamerikanische Urheberrecht haben. Das macht das Urheberrecht verkaufbar. Es ist dringend notwendig, das europäische Urheberrecht zu stärken und dem angloamerikanischen entgegenzuwirken. Es passiert aber gerade das Gegenteil.

derStandard.at: Müsste man sich mit Menschen, die Filesharing per se gut finden, nicht an einem Tisch zusammensetzen? Beispielsweise mit den Piraten?

Baum: Ich setze immer auf Bewusstseinsbildung und ein persönliches Gespräch. Das Traurige ist, und das sehe ich auch bei den Piraten so, dass es vom Ansatz her sehr interessant ist. Es ist aber nicht schlau, mit einem freibeuterischen Ansatz Politik machen zu wollen und sich so einen Namen zu wählen. Es ist eine vergeudete Chance, denn im Grunde genommen ist es höchste Zeit für neue Ansätze und Ideen. Anstatt sich um neue Sachen zu bemühen, werden Ressentiments bedient.

derStandard.at: Was sind die nächsten Schritte der Initiative? Was wird passieren, gibt es einen konkreten Plan?

Baum: Es gibt noch keine terminisierten Pläne. Der Herbst gehört schwerpunktmäßig der Leermedienabgabe, weil das ein längst fälliger Schritt ist. In Österreich zahlt der Handel seit zwei Jahren diese Festplattenabgabe, hält diese aber zurück. Die Argumentation der Arbeiterkammer läuft zu 99 Prozent ins Leere. Weder in Deutschland noch in Österreich ist der Handel eingebrochen, seit es diese Abgabe gibt. Es ist höchste Zeit, dass die Kreativen und KünstlerInnen das Geld bekommen. Auch die Zahlen, die im Umlauf sind, stimmen nicht.

derStandard.at: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Baum: Das ist reine Klientelpolitik. Hier werden Klientels bedient, und es geht auch um Gesichtsverlust. Was mein persönliches Anliegen ist: dass man in der Diskussion endlich die schlecht beleumundete Rolle der Verwertungsgesellschaften korrigiert. Das ist einer der großen Vorwürfe, die "Kunst hat Recht" gemacht werden: dass es nämlich nicht um die KünstlerInnen, sondern um die Industrie und die Verwertungsgesellschaften dahinter geht.

Das große Missverständnis ist, dass wir KünstlerInnen und Kreative unter der Knute der Verwertungsgesellschaften sind. Wir sind die Verwertungsgesellschaften. Europaweit ist jede Verwertungsgesellschaft auf Basis ihrer KünstlerInnen begründet. Die Verwertungsgesellschaften spannen nicht uns vor den Karren, sondern sie sind die Strukturen, die wir geschaffen haben.

derStandard.at: Das heißt, man muss auch andere KünstlerInnen dazu bekommen, sich dafür einzusetzen?

Baum: Es geht weniger um Überzeugungsarbeit als um das Schaffen von Wissen. Wir werden versuchen, Irrtümer auszuräumen. Dass die Verwertungsgesellschaften auch Handlungsbedarf haben, sich mit den neuen Technologien besser auseinanderzusetzen, ist ohne Zweifel. Der AKM beispielsweise würde es guttun, sich in nächster Zeit zu überlegen, wie man die Bedürfnisse der Kreativen unter einen Hut bekommt, ihnen auch beispielsweise die Möglichkeit einräumt, einen Teil der Arbeiten unter Creative Commons veröffentlichen zu können.

derStandard.at: Ist das ein Bürokratieproblem?

Baum: Das ist ein Generationswechsel und administrativ ein völlig anderer Zugang. Neue Technologien erschweren die Dokumentation massiv, die ja der Kernschwerpunkt von verwertungsgesellschaftlicher Arbeit ist. Wer sich ein bisschen damit auseinandersetzt, was da an Daten zu bewältigen ist, weiß, dass das komplex ist.

derStandard.at: Gibt es Anzeichen dafür, dass die Politik mitspielen wird?

Baum: Einerseits ja. Es gibt ein klares Bekenntnis von den Ministerinnen Schmied und Karl, wenn es um die Festplattenabgabe geht. Gleichzeitig gibt es aber auch speziell in der SPÖ Bemühen, den Fokus auf eine Netzpolitik und nicht auf eine Kulturpolitik zu legen. Das ist zwar legitim, ich glaube nur, dass das eine ohne das andere nicht geht. Eine effiziente Netzpolitik, die nur auf ein junges Wählerpotenzial schielt, ist ohne eine Kulturpolitik nichts wert. Aber da sind wir ohnehin in einem vitalen Arbeitsprozess, von dem ich erhoffe, dass er zu etwas Gutem führt.

derStandard.at: Gibt es also konkret erarbeitete Vorschläge, die der Politik vorgelegt werden können?

Baum: "Kunst hat Recht" hat im Herbst ein Symposium geplant, zu dem alle Parteien und relevanten Berufssparten der Ministerien eingeladen sind, um einen Schwerpunktkatalog zu erarbeiten und die Zuständigkeiten zu klären. Man muss sich ernsthaft und konstruktiv mit dem auseinandersetzen. Und natürlich wollen wir das künstlich progapierte Missverständnis bezüglich Festplattenabgabe klären, auch wenn das der Wirtschaftskammer nicht passt. Die Rolle der Arbeiterkammer wird auch interessant werden, wen sie nämlich wirklich vertritt. Und das wird das zentrale Thema. (Iwona Wisniewska, derStandard.at, 23.8.2012)