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US-Präsident Barack droht dem syrischen Regime.

Foto: Reuters/Downing

Washington/Beirut - Die USA stehen nach den Worten von Präsident Barack Obama für einen Militäreinsatz in Syrien bereit, falls das Land im Kampf gegen die Rebellen zu Massenvernichtungswaffen greift. Eine Verlegung oder der Einsatz von Chemie- und Biowaffen durch die syrische Führung sei für die USA klar die Überschreitung einer "roten Linie" und hätte daher "enorme Konsequenzen" für Präsident Bashar al-Assad, sagte Obama am Montag bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington.

Bisher habe er ein militärisches Eingreifen der USA nicht angeordnet. Auf die Frage, ob sich daran etwas ändern könne, wenn Syrien Chemie- oder Biowaffen einsetze, sagte Obama: "Das würde mein Kalkül erheblich ändern." Mit den Äußerungen verschärft Obama vor der Präsidentenwahl im November klar die Rhetorik. Die USA haben bisher kein Interesse gezeigt, direkt in den Konflikt einzutreten - anders als vergangenes Jahr in Libyen. Damals beteiligten sich die USA an einem Militäreinsatz, der zum Sturz von Staatschef Muammar al-Gaddafi beitrug.

Die syrische Führung wies die Drohung Obamas mit einem Militärschlag als leeres Wahlkampfgeschwätz zurück. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana schrieb am Dienstag: "Obama hat wieder einmal Angst vor irgendwelchen Waffen verbreitet, von denen man viel hört und über die viel gelogen wird. Dabei hat er Hunderte von atomaren Sprengköpfen vergessen, die Israel besitzt, und die eine Bedrohung für die Sicherheit der Region darstellen."

Ein Eingreifen in den seit 17 Monaten andauernden Aufstand gegen die syrische Führung im Herzen des Nahen Osten dürfte erheblichen Zündstoff bergen. Syrien genießt auf diplomatischer Ebene den Rückhalt von Ländern wie Iran, Russland oder China. Russland kündigte am Dienstag in Reaktion auf die Äußerungen Obamas an, das Land sei strikt gegen ein "einseitiges Vorgehen" im Syrien-Konflikt. In der Frage bestehe auch Einigkeit mit China, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach Gesprächen mit einem chinesischen Top-Diplomaten nach Meldungen russischer Agenturen. Für Überraschung sorgte der syrische Vizepremier Kadri Jamil. Der syrische Vizepremier hat am Dienstag Bereitschaft signalisiert, über einen Rücktritt des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu diskutieren. "Während eines Verhandlungsprozesses kann man über alles reden, und wir sind sogar bereit über diese Frage zu sprechen", so Jamil laut Nachrichtenagentur AFP.

Russland fordert mehr Anstrengungen von Syrien

Bei dem Besuch der syrischen Regierungsdelegation in Moskau sagte Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag der Agentur Interfax, die Regierung von Präsident Bashar al-Assad sei auf dem richtigen Weg, müsse aber mehr Anstrengungen für eine nationale Versöhnung unternehmen. Der Einsatz sei bisher "nicht ausreichend“, sagte Lawrow. "Fakt sei: Ein erheblicher Teil des Volkes ist unzufrieden mit der Situation, und deshalb ist die nationale Versöhnung Aufgabe Nummer Eins“.

Die US-Regierung habe dem Assad-Regime und "jedem wichtigen Land in der Region" unmissverständlich klar gemacht, dass Syrien mit dem Einsatz von Chemiewaffen eine rote Linie überschreiten würde, erläuterte am Tag zuvor Obama. In einigen westlichen Staaten gibt es Befürchtungen, dass die Chemiewaffen in die Hände von radikalen Islamisten geraten könnten oder dass Assad sie gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. Syrien hatte vor kurzem erstmals den Besitz von Massenvernichtungswaffen eingeräumt, aber auch klar gestellt, das Land werde sie nicht gegen die eigene Bevölkerung einsetzen. Die Waffen würden für den Fall eines Angriffs aus dem Ausland vorgehalten. 

Äußerung über Rücktritt: "Nichts Neues"

Die USA haben zurückhaltend auf Äußerungen des syrischen Vize-Regierungschefs Kadri Jamil reagiert, wonach ein Rücktritt von Staatschef Bashar al-Assad verhandelbar sei. Der US-Regierung seien die Inhalte der Pressekonferenz Jamils in Moskau bekannt, sagte die Sprecherin des US-Außenamts in Washington, Victoria Nuland, am Dienstag. "Offen gesagt, wir haben nichts wirklich Neues gesehen." Damaskus wisse, was es zu tun habe, sagte sie.

Jamil hatte sich zuvor nach einem Treffen mit Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Moskau über einen möglichen Rücktritt Assads geäußert: "Wir sind sogar bereit, dieses Thema zu diskutieren." Es könne aber keine Verhandlungen mit der Opposition geben, sollte ein Rücktritt Assads zur Vorbedingung für solche Gespräche gemacht werden. Lawrow betonte, dass es keine "Einflussnahme" von außen geben dürfe, es sei denn mit dem Ziel, einen Dialog zu herbeizuführen.

Obama: "Haben Reihe von Notfallplänen"

"Wir können es nicht akzeptieren, dass chemische oder biologische Waffen in die Hände der falschen Leute geraten", sagte Obama. Er habe nicht die völlige Gewissheit, dass die Lagerung der Waffen in Syrien ausreichend sicher sei. Ihre Existenz beunruhige nicht nur sein Land, sondern auch Verbündete wie Israel. Auf die Frage, ob die USA zur Absicherung der syrischen Massenvernichtungswaffenbestände einen Militäreinsatz in Betracht zögen, sagte Obama: "Wir sehen uns die Situation genau an. Wir haben eine Reihe von Notfallplänen ausgearbeitet."

Syriens Vorräte an Chemiewaffen gelten als die größten in der Region und sollen unter anderem aus Sarin, Senfgas und möglicherweise VX bestehen. Experten der Informationswebsite Global Security schätzten unter Berufung auf den US-Geheimdienst CIA, dass mehrere Hundert Liter Kampfstoff vorhanden sind und jährlich Hunderte Tonnen Vorläuferstoffe produziert werden. Das Land soll der Nuclear Threat Initiative (NRI) zufolge über Scud- und SS-21-Raketen, Granaten und Bomben als Trägersysteme verfügen. Die Regierung in Damaskus hat die Chemiewaffenkonvention von 1992 nicht unterzeichnet. Diese untersagt Einsatz, Herstellung und Lagerung von chemischen Kampfstoffen.

Appell an Assad

Vor der versammelten Presse appellierte Obama erneut an Assad, zurückzutreten, um einen demokratischen Wandel in dem Land zu ermöglichen, räumte aber zugleich ein, die Chancen dafür seien wohl sehr gering. Ein unter Führung von Kofi Annan verhandelter UN-Friedensplan für das Land ist gescheitert. Die einst 300 Mann starke Mission zieht derzeit ihre letzten Mitarbeiter vor Ort ab. Assad kämpft seit dem vergangenen Jahr mit aller Härte gegen die eigene Bevölkerung. Nach Einschätzung der UN sind auch Kämpfer der Al-Kaida unter den Rebellen. In dem Konflikt kamen nach UN-Angaben bisher mehr als 18.000 Menschen ums Leben, darunter viele Zivilisten. 170.000 Menschen sind auf der Flucht.

In Syrien wurde unterdessen in der erbittert umkämpften Metropole Aleppo am Montag eine japanische Journalistin getötet. Das bestätigte am Dienstag die Regierung in Tokio. Die 45-Jährige hatte jahrelang aus Konfliktgebieten wie Afghanistan und dem Irak berichtet. Wie die in London ansässige Gruppe Syrische Menschenrechtsbeobachter mitteilte, wurden drei andere Reporter vermisst. (APA, 21.8.2012)