Bei einer internationalen Konferenz in Bukarest, organisiert im Juni von der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, über "den Rechtsstaat und Respekt für die EU-Werte" stand der 39-jährige, erst einige Wochen zuvor zum Ministerpräsidenten bestellte Victor Ponta im Mittelpunkt des Interesses der Medien und der EU-Abgeordneten. Obwohl schon damals die Plagiatsvorwürfe gegen den Politiker bekannt geworden sind, betrachteten die meisten Teilnehmer Ponta, der kurz vorher an der Spitze des sozial-liberalen Bündnisses USL bei den Kommunalwahlen einen fulminanten Sieg errungen hatte, als einen Mann der Zukunft, als den fast sicheren Sieger auch bei den im Herbst fälligen Parlamentswahlen.
Wer hätte damals voraussehen können, dass sich der junge Regierungschef in kürzester Zeit als ein öffentlich gerügter Bösewicht der europäischen Politik entpuppen würde? Von einer Mischung aus Machtgier und Rachegelüsten gegen den mit allen Wassern gewaschenen Wendehals an der Staatsspitze, Präsident Trajan Basescu, getrieben, hatte Ponta zuerst einen wegen der niedrigen Wahlbeteiligung gescheiterten Urnengang im Hochsommer organisiert, dadurch aus eigener Schuld sein Land in ein beispielloses Chaos gestürzt und zugleich geharnischte Proteste aus Brüssel und Berlin provoziert.
Kampf zwischen "verschiedenen Cliquen"
Unabhängige rumänische Wissenschafter sprechen von einem Kampf auf Gedeih und Verderb "zwischen den verschiedenen Cliquen, um den Staat zu erobern und ihn zu plündern" (so die Politologin Alina Mungiu-Pippidi). Zwar stimmten 87 Prozent der Wähler bei dem Referendum am 29. Juli für die Absetzung des zutiefst unpopulären und für das vergiftete Klima auch mitverantwortlichen Basescus, doch hat ihn die vor einigen Jahren von seinen Parteifreunden durchgepeitschte Sperrklausel von 50 Prozent für die Teilnahme bei der Volksabstimmung einstweilen gerettet. Vor dem auf den 12. September verschobenen Beschluss des Verfassungsgerichtes über die Gültigkeit des Referendums stellte nun die Regierung Pontas nachträglich die Korrektheit der Wählerlisten bei der selber organisierten Abstimmung infrage.
Inmitten der Aufregung um die Veröffentlichung von kompromittierenden Protokollen abgehörter Telefongespräche über die geplante Fälschung von Wahllisten traten der Innenminister und der Staatsminister für Verwaltung zurück. Ponta behauptete vor Journalisten, er hätte alle seine Lektionen aus den Erfahrungen gelernt, um nur einige Tage später ein höchst umstrittenes Revirement in seinem knapp drei Monate alten Kabinett durchzuführen. So sorgte die Bestellung des Holocaustleugners, des sozialdemokratischen Senators Dan Sova, als Minister für die Verbindung mit dem Parlament für einen internationalen Skandal. Dieser mit Ponta befreundete gleichaltrige Politiker hatte in einem TV-Interview im März dieses Jahres das Pogrom von Iasi im Juni 1941 mit über 10.000 ermordeten Juden geleugnet.
Zu Recht warnte Mungur Isarescu, der angesehene Gouverneur der Nationalbank, vor den bedenklichen wirtschaftlichen Folgen des Machtkampfes und der Lähmung des Staates. Die neuesten Wirren erinnern an das Libretto einer Lehár-Operette. Doch den Preis für politische Unvernunft zahlt das ganze Land. (Paul Lendvai, DER STANDARD, 21.8.2012)