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Für ein Baby verschriebene Medikamente sind oft nur für Erwachsene zugelassen. Eine dem Körpergewicht entsprechend reduzierte Dosis schließt unerwünschte Nebenwirkungen nicht aus.

Foto: APA/Oliver Krato

Alpbach/Wien - Dass Kindern Arzneimittel verabreicht werden, die tatsächlich für sie zugelassen sind, ist in Österreich die Ausnahme. "Bis zu 90 Prozent der Medikamente wurden nicht auf Kindertauglichkeit geprüft", sagte Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) am Montag bei einer Pressekonferenz am Rande der Alpbacher Gesundheitsgespräche. Daran soll die Einrichtung eines Forschungsnetzwerks raschestmöglich etwas ändern.

Die Anschubfinanzierung für dessen Aufbau kommt gleichermaßen von Gesundheitsministerium und Pharmaindustrie: Sie stellen für die nächsten fünf Jahre je 150.000 Euro bereit. Damit kommt Stöger einer Forderung nach, die von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde bereits vor fünf Jahren erhoben wurde. Man habe aber erst unter Stöger Gehör dafür gefunden, sagte Präsident Reinhold Kerbl dem Standard.

Schon im Jahr 2006 ist eine EU-Verordnung in Kraft getreten, die bei der Neuzulassung eines Medikaments auch zu einer Testung bei Kindern verpflichtet. Allerdings habe man dem in Österreich nicht nachkommen können, da die Möglichkeiten fehlten. Die Studienkoordinationszentren an den Unis in Wien, Innsbruck, Salzburg, Graz und am Wiener St. Anna Kinderspital müssten zentral koordiniert werden, um auf mehr Fallzahlen zu kommen, erläuterte Kerbl.

Netzwerkzentrale in Wien

Die Zentrale soll in Wien eingerichtet werden, wo die Durchführbarkeit von Arzneimittelstudien mit Null- bis 18-Jährigen untersucht und - im positiven Fall - die Realisierung angestoßen werden soll. Nach fünf Jahren soll sich das Netzwerk finanziell selbst tragen. Koordiniert wird es von der Wiener Onkologin Ruth Ladenstein (St. Anna Kinderspital).

Eltern sollen darüber informiert werden und selbst entscheiden, wenn sich bei ihrem Kind die Teilnahme an einer Studie anböte, sagt Kerbl. Geld sollen sie dafür nicht erhalten; höchstens Aufwandsentschädigungen - zum Beispiel Fahrtgeld.

Derzeit ist es üblich, Medikamente bei Kindern off-label - also in Form einer nicht zugelassenen Indikation - anzuwenden. Dabei wird in der Regel je nach Körpergewicht des Kindes ein Bruchteil der Erwachsenendosis verabreicht. Das könne aber zu unerwarteten und deutlich stärkeren Nebenwirkungen führen - die noch dazu nicht dokumentiert würden, sagt Kerbl.

Studien mit Kindern bis 2004 unethisch

Neben der für die jungen Patienten bestehenden Gefahr von Nebenwirkungen kann eine solche Verabreichung - wenn etwas schiefgeht - auch für den Arzt rechtliche Konsequenzen haben. Arzneimittelstudien an Kindern waren bis 2004 in Österreich fast unmöglich und galten nach Arzneimittelgesetz (AMG) als unethisch. Dann wurden sie aber unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen erlaubt.

Starke Defizite in der Forschung ortet Kerbl zum Beispiel bei Medikamenten für Frühgeborene, wie etwa Schmerz- oder Narkosemittel oder Antibiotika - aber auch bei Diabetesarzneien und Psychopharmaka für Jugendliche. Die "Etablierung eines 'Kinderforschungsnetzwerkes' für sichere Arzneimittel" war eine der Forderungen einer Arbeitsgruppe für die Alpbacher Gesundheitsgespräche gewesen. (Gudrun Springer, STANDARD, 21.8.2012)