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In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Zahl der Tauben in Wien um ein Drittel reduziert. Anpassungsfähig bleiben die Vögel.

Foto: dpa/Uwe Zucchi

Wien - Den Wienerinnen und Wienern wird gemeinhin ja ein Naheverhältnis zu den Tauberln nachgesagt. Sei es beim "Taubenvergiften im Park" (Georg Kreisler) oder als Ziel liebevoller Zuwendung durch den "Herrn Haslinger" (Ludwig Hirsch). Tatsächlich werden die Vertreter der Familie der Columbidae in der Bundeshauptstadt aber weniger - was unter anderem an moderner Architektur liegt.

Ob man den Eindruck hat, dass die Tiere knapp vor dem Aussterben stehen oder eine wahre Pest sind, hängt davon ab, wo man wohnt. "Die größte Taubendichte herrscht in der Linie vom Naschmarkt bis zum Praterstern", weiß Hermann Gsandter, Tierschutzombudsmann der Stadt Wien. Denn neben Nistplätzen und Futter benötigen die Vögel auch Wasser, dazu haben sie dort leichteren Zugang.

Der Eindruck, dass die Tauben weniger werden, stimme aber, sagt Gsandtner. Bei einer Taubenzählung in den 70er-Jahren kam man noch auf 230.000 Stück, vor vier Jahren seien es nur mehr rund 150.000 gewesen - um ein Drittel weniger.

Weniger Nistmöglichkeiten

Das liege aber nicht an einem Erfolg der Taubenvergifter, sondern an den veränderten Wohngewohnheiten der Menschen. "Die Tiere haben weniger Nistmöglichkeiten als früher", erklärt der Experte. "Die Dachböden sind entweder zu Wohnungen ausgebaut worden oder besser abgedichtet worden." Schnörkellose Hausfassaden bieten ebenso weniger Möglichkeiten für Unterschlupfe. "Ideale Bedingungen gab es natürlich nach dem Krieg in den Bombenruinen."

Was bei der klassischen Stadttaube, der verwilderten Haustaube, auch zu Verhaltensänderungen führt, wie die Forscher beobachten. So fiel ihnen auf, dass in den vergangenen 15 Jahren die Tiere begannen, sich wieder auf Bäume oder auf Telefondrähte zu setzen. Auch bei der Futtersuche passen sich die lernfähigen Vögel an. "Sie schmeißen alte Semmeln so lange auf den Boden, bis sie die Brösel dann fressen können. Vor kurzem habe ich auch eine Taube beobachtet, die ein Chicken-Nugget aufgepickt hat - dabei ist es ungewöhnlich, dass sie überhaupt Fleisch fressen", erzählt Gsandter.

Clevere Futterbettler

Neben diesen aktiven Futtersuchern gibt es auch die "Futterbettler", die darauf warten, Körner und Brösel serviert zu bekommen. "Die Tiere fliegen teilweise schon zwei Stunden vorher zum Futterplatz und sind auch fähig, Personen zu erkennen - wissen also, ob der Fütterer kommt oder nicht", sagt Gsandter.

Ein generelles Fütterverbot gäbe es in Wien nicht, auf Privatgrund, etwa in den Gemeindebauten, kann die Nahrungsversorgung aber untersagt werden. "Der Erfolg ist aber nicht wahnsinnig groß, da die Menschen auch kein Unrechtsbewusstsein haben."

"Augsburger Modell"

In Gebieten mit großer Tierdichte klagt die Bevölkerung durchaus über eine Belästigung. Ob der Taubenkot auch an Fassadenschäden schuld ist, darüber gehen laut Gsandter die Lehrmeinungen auseinander. Allerdings können nicht nur die Ausscheidungen, sondern die Tauben selbst ruinös werden. "Da sie im urbanen Bereich in Wahrheit keine ausgewogene Nahrung finden, versuchen sie Kalk und kleine Steinchen aus dem Mauerwerk zu picken."

Unter anderem aus diesem Grund wollen die Stadtverwaltungen weltweit auf die verschiedensten Arten die Tierpopulation verkleinern.

In Wien probiert man das "Augsburger Modell" mit einem Pilotversuch aus. Im Amtshaus Meidling befindet sich ein Taubenschlag, wo Nistplätze und Futter angeboten werden. Legen die Vögel ihre Eier, werden diese entfernt und durch Attrappen ersetzt. Ob der Versuch erfolgreich ist, wird sich erst zeigen, er muss noch evaluiert werden. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 20.8.2012)