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100 Tage im Amt: Staatspräsident Francois Hollande.

Foto: REUTERS/Robert Pratta

Paris/Wien - Gerade einmal 100 Tage im Amt und schon hat der französische Präsident Francois Hollande massive an Popularität eingebüßt. Eine aktuelle, von der konservativen französischen Zeitung "Le Figaro" in Auftrag gegebene Umfrage zeigt, dass nur noch 46 Prozent der Franzosen mit der Amtsführung ihres Präsidenten zufrieden sind. Gewählt wurde er von beinahe 52 Prozent.

Ein ungerechtes Urteil möchte man meinen, hat Hollande zwischen seiner Amtseinführung am 15. Mai und dem 22. August, wenn die ersten hundert Tage offiziell verstrichen sein werden, doch bereits eine Reihe von innenpolitischen Reformen umgesetzt: Die Vermögenssteuer für Wohlhabende mit einem Vermögen von mehr als 1,3 Millionen Euro erhöht, die Grenze für die Befreiung von Erbschaftssteuer von 160.000 auf 100.000 Euro gesenkt, die noch von Sarkozy durchgesetzte Mehrwertsteuererhöhung ebenso zurückgenommen, wie dessen Steuerbefreiung für Überstunden oder die vielkritisierte Erhöhung des Pensionsantrittsalters (wenngleich Franzosen nun mindestens auf 41 Beitragsjahre kommen müssen, um weiterhin mit 60 in Pension gehen zu dürfen).

Symbole

Wie wichtig Hollande der symbolische Faktor in seiner Politik ist, zeigt sich jedoch nicht nur in der schnellen Zurücknahme von Schlüsselreformen der Regierung Sarkozy. Kaum im Amt verringerte der Sozialist die Gehälter seiner Minister gleich um 30 Prozent. Eine entsprechende Kürzung seines eigenen Einkommens sowie jenes seines Premierministers Jean-Marc Ayrault folgte am 1. August. Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy hatte erst im Herbst 2007 sein Gehalt um 170 Prozent von 7.000 auf 19.000 Euro erhöht. Um 1.000 Personen aufgestockt soll hingegen das Lehrpersonal an französischen Volksschulen (ecoles primaires) werden.

Allerdings sind es auch nicht die innenpolitischen Reformen, die Hollande Probleme bereiten. Seine Umfragewerte zeigen, dass die Franzosen ihren Präsidenten durchaus als einen Mann wahrnehmen, der sein Wort hält. 57 Prozent von ihnen sind der Meinung, Hollande habe seine Wahlkampfversprechen bisher umgesetzt, fragt man seine Wähler des ersten Durchgangs so sind es sogar 92 Prozent.

Überfordert

Vielmehr scheinen die Franzosen zu glauben, dass ihr Präsident - der stets versucht sich so "normal" wie möglich zu geben - mit der allgegenwärtigen Wirtschafts- und Schuldenkrise ebenso überfordert ist, wie sie selbst. Auch wenn es Hollande bei EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs Ende Juni gelungen ist dem zur Austerität drängenden EU-Fiskalpakt einen Wachstumspakt im Umfang von 120 Mrd. Euro zur Seite zu stellen, glauben 51 Prozent der Franzosen nicht, dass er gemeinsam mit seinen EU-Kollegen eine Lösung für die Eurokrise finden kann. 60 Prozent bezweifeln, der Sozialist könne die Staatsschulden Frankreichs verringern, 63 Prozent sehen ihn in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit überfordert.

Auch außenpolitisch wirkt der französischen Präsidenten farblos - zumindest die konservative UMP unternahm in den letzten Tagen alles, um den Sozialisten für den Stillstand in der Syrien-Krise verantwortlich zu machen. Sarkozy, der eigentlich verkündet hatte, sich aus der Politik zurückziehen zu wollen, telefonierte mit dem Präsidenten des oppositionellen Syrischen Nationalrates und entschied gemeinsam mit diesem, dass "große Ähnlichkeiten mit der libyschen Krise" bestünden und ein "schnelles Handeln der internationalen Gemeinschaft"nötig sei. Sarkozy selbst war eine treibende Kraft beim NATO-Militäreinsatz gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi.  

Schelte aus Brüssel

Ex-Premier Francois Fillon wiederum forderte Hollande in einem Kommentar in "Le Figaro" auf, sich gemeinsam mit Angela Merkel in ein Flugzeug nach Russland zu setzen, um dessen Präsidenten Wladimir Putin zur Kooperation in der Syrien-Frage zu bewegen. Dass Hollande beim ebenfalls im Wahlkampf versprochenen Abzug der französischen Soldaten aus Afghanistan bis Ende 2012 standhaft blieb und ihn eine seiner ersten Auslandsreisen zu den französischen Soldaten nach Afghanistan führte, hilft ihm da wenig - auch wenn, 75 Prozent der Franzosen dies gut heißen.

Seine erste Schelte aus Brüssel zog sich Hollande wiederum ein, weil er dem Kurs seines Vorgängers zu treu blieb. Erst vor wenigen Tagen wurden im nordfranzösischen Lille zwei Roma-Lager geräumt, die delogierten Familien standen daraufhin ohne Ersatzquartiere auf der Straße. Wenige Stunden später wurden 240 Roma von Lyon aus nach Rumänien "rückgeführt". EU-Justizkommissarin Viviane Reding ermahnte die französische Regierung daraufhin in einem Kommentar in der links-liberalen französischen Zeitung "Liberation" zu einem menschenwürdigen Umgang mit der Minderheit, die EU-Kommission stellte Frankreich unter Beobachtung. Die großangelegten Abschiebungen von rund 9.500 Roma durch die Regierung Sarkozy hatten 2010 für internationale Kritik gesorgt. Die EU-Kommission hatte Paris zuerst mit einem Strafverfahren wegen der Verletzung des Rechts auf Personenfreizügigkeit gedroht, verzichtete nach heftigem Streit dann jedoch auf Sanktionen.

Sicher ist, dass dem französischen Präsidenten auch ohne Kritik aus Brüssel ein heißer Herbst bevorstehen wird. Nicht nur hat er sich einige "große Brocken", wie etwa die Einführung eines Spitzensteuersatzes von 75 Prozent für all jene, die mehr als eine Million pro Jahr verdienen oder den Budgetentwurf für 2013, bis nach der Sommerpause aufgehoben, auch die Wirtschaftsdaten sind alles andere als rosig. Eine befürchtete weitere Verlangsamung des Wirtschaftswachstums trat zwar nicht ein - laut französischem Statistikamt INSEE sind die Wirtschaftsdaten im 2. Quartal 2012 ident mit jenen Anfang des Jahres und Ende 2011 - die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit von 10 Prozent, droht sich allerdings angesichts bereits angekündigter Entlassungspläne großer französischer Konzerne noch zu verschlimmern. Zu allem Überfluss muss Hollande im Parlament auch noch jenen EU-Fiskalpakt durchsetzen, von dem er im Wahlkampf angekündigt hatte, ihn neu verhandeln zu wollen.  (APA/Barbara Essig, 19.8.2012)