Robert Arnott warnt, dass die Zentralbanken zu sehr eingreifen, und meint, dass mehr Kapitalismus das Gebot der Stunde sei.

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Investor Robert Arnott warnt vor dem demografischen Gegenwind für die entwickelten Länder. Warum die Zentralbanken bei hohen Schulden nicht helfen können, erklärt er Lukas Sustala.

 

STANDARD: Aktien haben in den vergangenen 15 Jahren keine berauschenden Erträge geliefert. Ist die Anlageklasse für Investoren überhaupt noch interessant?

Arnott: Relativ zu Staatsanleihen auf alle Fälle. Bonds werden einem Anleger mit den aktuellen Renditen einen negativen realen Ertrag liefern. Aktien hingegen einen positiven realen Ertrag.

STANDARD: Also kann man optimistisch für die Großwetterlage an den Kapitalmärkten sein?

Arnott: Überhaupt nicht. Investoren sollten auf das Beste hoffen, aber auf das Schlimmste vorbereitet sein. Gerade jetzt stehen die Industrienationen, allen voran die USA und Westeuropa, vor enormen Herausforderungen.

STANDARD: Die hohen Schulden.

Arnott: Die hohen Schulden müssen angegangen werden. Aber es geht um viel mehr. Wir hatten in den vergangenen dreißig Jahren einen demografischen Vorteil. Der fällt jetzt weg, da die Baby-Boomer-Generation in Pension geht. Das schafft zusätzlichen Gegenwind, gerade für die Volkswirtschaften der Industrieländer.

STANDARD: Droht daher das japanische Szenario der 1990er?

Arnott: Das japanische Risiko, dass etwa Europa verlorene Dekaden erleben wird, ist sehr real. Das Wirtschaftswachstum wird enttäuschen, weil die Demografie nicht unterstützend wirkt und die höheren staatlichen Schulden private Investitionen verdrängen.

STANDARD: Aber wie soll man private Investitionen ankurbeln?

Arnott: Dazu gibt es in Europa und den USA viel Spielraum. Die Ökonomen der Österreichischen Schule fordern etwa, dass der Staat seine weitreichenden Fesseln der Regulierung lösen sollte, damit die Privatwirtschaft für den Staat einspringen kann. Das könnte unsere Job-Misere beenden. Doch wenn der Staatssektor gekürzt wird und der Privatsektor mit Regulierung gefesselt bleibt, wird es eine Depression geben. Dazu muss man umdenken: Die globale Finanzkrise ist keine Krise des Kapitalismus, sondern der Weigerung, den Kapitalismus funktionieren zu lassen. Ein Kernelement des Kapitalismus ist die Pleite. Wenn jemand etwas wirklich Dummes tut, muss man auch die Konsequenzen tragen. Das wurde außer Kraft gesetzt.

STANDARD: Derzeit hoffen Politiker und Anleger eher auf die Hilfe durch die Notenbanken.

Arnott: Das ist sehr gefährlich. Anleger investieren immer weniger auf Basis von Fundamentaldaten, sondern der Erwartung von Liquidität. Wann immer die Fed (US-Notenbank, Anm.) andeutet, vielleicht doch noch eine Billion Dollar in die Wirtschaft zu pumpen, schnellt der Markt nach oben. Das ist nicht gesund.

STANDARD: Kurbeln die Zentralbanken aber nicht die Wirtschaft an?

Arnott: Kurzfristig vielleicht, aber langfristig wirkt diese Strategie zerstörerisch. Denn sie nimmt jeden Anreiz zu sparen. Aber Sparen und Investieren sind zentral für eine gesunde Volkswirtschaft. Wenn die Staaten ihre Schulden monetisieren und mithilfe von negativen Zinsen die reale Kaufkraft ihrer Bürger einschränken, wird das auch die Börsen belasten. Diese messen langfristig die Substanz der produktiven Unternehmen. Je mehr aber die Zentralbank in die Märkte eingreift, desto stärker werden sie bei ihrer fundamentalen Aufgabe der effizienten Kapitalallokation behindert.

STANDARD: Aber Kapitalmärkte sind ja alles andere als effizient. Sonst wären etwa Gebühren von vielen Finanzprodukten viel niedriger.

Arnott: Wenn man ein Finanzprodukt kauft, kauft man keine Performance. Die Performance ist eine vergangenheitsbezogene Größe. Künftige Erträge sind aber ungewiss. Investoren kaufen eine Hoffnung. Die Frage ist, wie sehr man hofft. Manche kaufen sich Hedgefonds. Die meisten Hedgefonds verteilen Vermögen um, vom Kunden zum Manager. Aber es gibt einen Gebührendruck, durch die Indexierung. Dabei kann man den Gesamtmarkt kaufen, nicht die Hoffnung, dass man einen talentierten Fondsmanager gefunden hat. Sie kaufen einfach den Index. Aus dieser Ecke kommt der Druck auf die Gebühren. (DER STANDARD, 18./19.8.2012)