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Foto: APA/GUENTER R. ARTINGER

Graz/Wien - Wenn heutzutage Kinder nach den Schlusskonferenzen in ihren Schulen ihre gespannten Eltern nervös darauf hinweisen, dass sie "eine Fünf in Mathe und eine Vier in Englisch" zu erwarten hätten, reagieren ältere Eltern in der Regel ziemlich sauer. Weniger der Noten wegen. "Bei uns sagt man: ein Fünfer und nicht piefkenesisch eine Fünf."

Der Nachkömmling ist froh ob der Belehrung - stehen wenigsten die Noten nicht zur Debatte. Deswegen wird er weiter "ne Cola", "Tschüss", "Tomaten-" und nicht "Paradeiser-Ketchup" sagen. Es ist evident, sagt Sprachwissenschafter Rudolf de Cillia von der Universität Wien, dass zunehmend "Deutschlandismen" in die österreichische Jugendsprache einfließen. Auf welchen Wegen, sei noch nicht ausreichend untersucht.

Synchronisierte TV-Serien haben Einfluss

Einen starken Einfluss dürften die mit deutsch-deutscher Zunge synchronisierten beliebten TV-Serien wie How I met your Mother oder Big Bang Theory ausüben. Für de Cillia ist der sprachliche Einfluss eher auch eine ökonomische Frage - weil viel Sprachliches über den Handel einfließe. Beginnend bei Prospekten der deutschen Lebensmittelketten bis zu den Anleitungen fürs Elektronikequipment.

Alles in allem aber kein Grund zur Aufregung. Das typisch Österreichische ist ja ohnehin EU-rechtlich verankert. 23 Austriazismen (von Kren, Fisolen, Eierschwammerln bis zum Hüferl und Vogerlsalat) hat sich Österreich seinerzeit verbriefen lassen.

Wobei seltsamerweise einige typisch altösterreichischen Begriffe auch in der Jugendsprache hängengeblieben sind. Niemand sagt "Aprikosenknödel", das sind immer noch "Marillenknödel", eine "Topfengolatsche wird so schnell nicht zur "Quarkgolatsche", das Grußwort "Servus" bleibt auch unter Kids verknappt als "Sea's" erhalten, und der Freund ist nach wie vor der "Hawie", also der Haberer.

"Kietz-Deutsch" etabliert sich

In den letzten Jahren sind auch Elemente nichtdeutscher Sprachkulturen in die deutsche Jugendsprache eingesickert, die in Deutschland unter "Kanak Sprak" oder "Kiez-Deutsch" firmieren. Der zum Teil auch kabarettistisch erfolgreich aufgegabelte neue Ethnodialekt ("Ich weiß, wo dein Haus wohnt") fließt längst auch in die österreichische Jugendsprachszene ein, wo sich die neuen Sprachkreationen etwa im Weglassen von Präpositionen oder Hilfszeitwörtern äußern: "Kann ich eine Cola?" oder "Gehst du Kino?", in Deutschland auch durch Übernahme neuer Wörter wie etwa "Lan", was im Türkischen so viel heißt wie "Alter", oder das arabische "Yalla" im Sinn von "Na los".

Die Sprachforscherin Inci Dirim vom Institut für Germanistik der Uni Wien plädiert dafür, diese besondere Variation der von türkischen Migrantenkindern geprägten Jugendsprache endlich auch als das zu akzeptieren, was es ist: eine spezielle Form des Dialektes. Es sei ein weltweites Phänomen, ähnliche Befunde derartiger Ethnodialekte seien in Schweden, Dänemark, England aber auch in den USA deutlich nachzuweisen.

Der Hamburger Linguist Jannis Androutsopoulos ist trotz aller neuen sprachlichen Einflüssen überzeugt, dass eine Varietät "zu keiner "Simplifizierung der Gesamtsprache" führen werde. Die Standardsprache werde auch weiterhin in der Politik, der Wissenschaft, den Medien und anderen zentralen Bereichen der Gesellschaft Bestand haben. (Walter Müller, DER STANDARD, 18./19.8.2012)