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Roger Schmidt: "Ich habe bald gemerkt, dass viele in Österreichs Fußball etwas gegen Red Bull haben."

Foto: dapd/Preiss

Standard: Nach der 0:2-Nieder lage gegen Rapid haben Sie gesagt, Sie müssten alles hinterfragen, auch sich selbst. Haben Sie Antworten gefunden?

Schmidt: Ja, natürlich. Es ist an sich nicht so, dass dieses Spiel jetzt alles auf den Kopf stellt. Aber es ist Fakt, dass die Art und Weise, wie wir aufgetreten sind, nicht in Ordnung war. Unabhängig vom Ergebnis. Gegen Rapid kann man prinzipiell verlieren. Aber so eine Leistung darf man den Zuschauern nicht bieten. Es ist nicht gelungen, die richtige Mentalität an den Tag zu legen.

Standard: Ein bisschen konkreter, bitte. Wie schaut die Lösung aus?

Schmidt: Es gibt ja nicht diesen einen Grund dafür. Ich glaube, dass wir eine bestimmte Art von Fußball spielen sollen und wollen, nach vorne verteidigen und Druck ausüben. Das geht nur schrittweise.

Standard: Sie haben auch gesagt, dass es den Spielern möglicherweise zu gut geht. Das hat man in der Ära Red Bull Salzburg nach Misserfolgen öfters gehört. Jetzt könnte man ganz einfach und populistisch fragen: Warum zahlt man dann den Kickern so viel?

Schmidt: Das ist ein Automatismus, der bei Misserfolgen eintritt. Man muss das aber differenzierter sehen, insbesondere als Trainer. Ich glaube schon, dass die Mannschaft will, dass sie einen guten Charakter hat, davon bin ich hundertprozentig überzeugt. Die Frage ist, warum kriegen wir das teilweise nicht auf den Platz. Für die Spieler ist es eine besondere Situation hier bei Red Bull. Die Erwartungshaltung ist maximal. Man kann ja nur enttäuschen, weil Siege als normal gelten. Ich als Trainer muss das miteinbeziehen. Es gibt einen negativen Druck, den wir an uns ranlassen müssen. Die Kunst ist, sich davon zu befreien, nach vorne zu schauen und das Ganze in einen positiven Druck umzuwandeln.

Standard: Wühlen wir weiter in Wunden. Das Scheitern in der Champions League an Düdelingen gehört nun zu Ihrer Biografie. Josef Hickersberger wird Färöer auch nicht mehr los. Was hat diese Niederlage in Ihnen ausgelöst? Andrerseits lebt der Fußball von solchen Überraschungen. Der Kleine kann es dem Großen ab und zu zeigen, wo sonst ist das noch möglich. Eigentlich schön, sofern man nicht selbst davon betroffen ist, oder?

Schmidt: Was Sie sich da zusammenreimen, entspricht nicht meiner Gedankenwelt. Natürlich bin ich mit dem Anspruch gekommen, auch international zu spielen. Die Chance haben wir im nächsten Jahr hoffentlich wieder. Es war für uns alle sehr enttäuschend, Düdelingen hat uns aber auch vor Augen geführt, dass wir etwas verändern müssen. Da sind wir jetzt mitten drinnen. Ich blicke nicht lange nach hinten. Wenn Sie meinen, ich beschäftige mich jeden Tag damit, versinke in Selbstmitleid, irren Sie. Man kann nur auf die Gegenwart und Zukunft Einfluss nehmen.

Standard: Hat Sie die landesweite Häme und Schadenfreude irritiert? Zumal Düdelingen für den gesamten österreichischen Fußball unangenehm bis peinlich war.

Schmidt: Auch darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Ich habe bald gemerkt, dass viele in Österreichs Fußball etwas gegen Red Bull haben. Das fordert mich aber erst richtig heraus, das ist ein zusätzlicher Ansporn. Das versuche ich auch auf meine Spieler zu übertragen. Es ist leichter gesagt als getan, aber es muss uns stärker machen.

Standard: Gibt es so etwas wie ein Hauptproblem bei Red Bull? Ist es vielleicht das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit?

Schmidt: Möglicherweise. Die Erwartungshaltung nach außen hin ist enorm, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind gut. Man muss sie nutzen, um in vielen Facetten besser zu sein oder zu werden als andere. Aber es funktioniert nicht so, dass man gute Spieler kauft und sofort Erfolg hat. Dafür gibt es in jeder Liga Beispiele. Letztendlich muss man überall hervorragend arbeiten, Rahmenbedingungen schießen noch keine Tore.

Standard: Herr Mateschitz ist bei der Trainerwahl vom Starprinzip abgerückt. Bei allem Respekt, aber Ihre Vorgänger waren Trapattoni, Matthäus, Adriaanse oder Stevens. Haben Sie eine Erklärung für diesen Sinneswandel? Warum Roger Schmidt vom deutschen Zweitligisten Paderborn?

Schmidt: Da müssen Sie Herrn Mateschitz fragen. Man wird beobachtet haben, was ich bisher gemacht habe, und das für gut und passend empfunden haben.

Standard: Sportdirektor Ralf Rangnick hat eine neue Philosophie angekündigt. Er möchte die besten österreichischen Talente versammeln und entwickeln. Ein paar Tage später wurden zwei junge Norweger verpflichtet. Wie passt das zusammen?

Schmidt: Das passt insofern zusammen, als Sie nur die halbe Aussage gehört haben. Unsere Philosophie ist, nicht nur die besten jungen österreichischen Spieler zu holen. Sie können auch aus anderen Ländern kommen. Entscheidend ist deren Mentalität und sportliche Qualität.

Standard: Gibt es so etwas wie eine österreichische Mentalität, die vielleicht ein Grund dafür ist, sich selbst im Weg zu stehen?

Schmidt: Es wäre unseriös, das zu beantworten, ich bin erst seit ein paar Wochen da. Natürlich spielt Mentalität im Fußball eine Rolle. Es gibt ja den Spruch, dass Wille und Entschlossenheit entscheidender als das Potenzial sind.

Standard: Haben Sie Sehnsucht nach Paderborn?

Schmidt: Nein, habe ich nicht. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es, weil ich überzeugt davon bin. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt von Red Bull Salzburg.

Standard: Glauben Sie, dass Sie irgendwann, in 20 oder 30 Jahren, über Düdelingen lachen?

Schmidt: Nein, ich wüsste nicht, warum ich darüber lachen soll. Für mich ist das Geschichte. (Christian Hackl, DER STANDARD, 18.8. 2012)