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Irgendwo lagern bestimmt geheime Ölfässer. In diesem Fall ist es allerdings Wein.

Foto: reuters/anatolii stepanov

Washington/Paris/London/Berlin - Große westliche Industrieländer wie die USA und Frankreich erwägen im Kampf gegen rekordhohe Benzinpreise ein Anzapfen der strategischen Ölreserven. Aus Kreisen in Washington und Paris sowie im britischen Energieministerium hieß es am Freitag, der Anstieg des Ölpreises um rund ein Drittel binnen zwei Monaten sei Grund zur Sorge. Man stehe daher bereit, im Fall der Fälle zu handeln. Die USA bestätigten später diese Option. An den Ölmärkten sorgte die Nachricht für fallende Preise, obwohl aus Asien Stimmen kamen, die eine Freigabe der Reserven eher ausschlossen. Allerdings machten Händler für den Rückgang der Preise auch Aussagen aus Israel verantwortlich, im Atomstreit mit dem Iran bei einem militärischen Vorgehen nicht allein vorpreschen zu wollen. Die Sorge vor einer Zuspitzung der Lage in Nahost war zuletzt einer der Preis-Treiber.

Die Freigabe strategischer Ölreserven sei eine Möglichkeit, die diskutiert werde, sagte ein US-Präsidialamtssprecher vor Journalisten. Zuvor hatte Reuters aus mit der Sache vertrauten Kreisen erfahren, dass die US-Regierung derzeit alte Pläne wieder aus der Schublade hole. Schon im Frühjahr hatte es entsprechende Überlegungen bei Präsident Barack Obama gegeben. Damals war Öl mit 125 Dollar (101,3 Euro) pro Fass (159 Liter) für Brent-Öl aus Europa und 105 Dollar für die US-Sorte WTI sogar noch 10 Dollar teurer als derzeit. In Kreisen der südkoreanischen Regierung hieß es daher am Freitag auch, man gehe angesichts der damals noch höheren Preise nicht davon aus, dass die Mitglieder der Internationalen Energie Agentur (IEA) derzeit einer Freigabe der Not-Reserve zustimmen würden. Schließlich sei es dazu ja bereits im Frühjahr nicht gekommen. Auch in Tokio war man skeptisch. Die Reserven gebe es für den Fall von Problemen bei der Öl-Versorgung, hieß es in Regierungskreisen. Solche Probleme gebe es derzeit aber nicht. Die IEA berät die Länder und koordiniert eine mögliche Freigabe.

Teure Zeiten für Autofahrer

Für Autofahrer - und damit auch die Wirtschaft - ist die Lage aber nahezu gleich: sie müssen so tief wie nie zuvor in die Tasche greifen. Dem ADAC zufolge lag der Preis etwa für ein Liter Super E10 mit rund 1,67 Euro nicht einmal mehr ein Cent unter Allzeitrekord. Binnen einer Woche betrug der Anstieg fünf Cent. Auch in den USA ist das Benzin weiter relativ teuer. Und dass die Amerikaner das gar nicht mögen, weiß auch der in drei Monaten zur Wiederwahl stehende Präsident Obama.

In den US-Kreisen hieß es, ein Zugriff auf die Ölreserven stehe nicht unmittelbar bevor. Zunächst warte man ab, was nach den Feiertag "Labor Day" am 3. September passiere. Normalerweise sinkt dann der Spritpreis. Auch sei noch offen, wie viel Öl aus den Lagern der USA und anderswo geholt werden könnte. Die USA hätten auch noch nicht mit den anderen IEA-Ländern gesprochen. Allerdings sei die Lage ähnlich wie im Frühjahr, und damals seien Länder wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich für eine Freigabe offen gewesen.

IEA hält Anzapfen nicht für notwendig

Die IEA hält die US-Überlegungen zum Anzapfen der Reserven derzeit offenbar für nicht notwendig. "Es gibt keinen Grund für eine Freigabe", sagte IEA-Exekutivdirektorin Maria van der Hoeven. Die Ölmärkte seien derzeit gut versorgt, begründete die Agentur-Chefin ihre Einschätzung. Obama habe die IEA bislang nicht kontaktiert.

Die deutsche Regierung wollte sich am Freitag nicht äußern. Der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler hatte im Frühjahr allerdings eine Freigabe abgelehnt und gesagt, Reserven seien kein Werkzeug zur Preis-Stabilisierung. Das britische Energie-Ministerium erklärte am Freitag, man stehe zusammen mit seinen internationalen Partnern bei der IEA bereit, um falls nötig reagieren zu können. Eine Entscheidung zur Freigabe gebe es derzeit aber nicht. Auch aus Kreisen der französischen Regierung hieß es, man stehe mit den USA über den Ölpreis-Anstieg in Kontakt und prüfe alle Optionen.

Die USA verknüpfen ihre aktuellen Überlegungen den Kreisen zufolge auch damit, dass ein hoher Ölpreis Sanktionen gegen den Iran unterlaufen könnte. Westliche Länder versuchen seit langem, im Atomstreit mit dem Iran das Land durch wirtschaftliche Daumenschrauben zum Einlenken zu bewegen. Ist der Ölpreis aber hoch, so die Überlegung, steigen auch die Einnahmen des Öl-Förderers Iran und machen Sanktionen damit wenig schmerzhaft.

Von seinem Rekord ist der Ölpreis indes noch entfernt. Mitte 2008 kostete das Fass 147,50 Dollar - rund 30 Dollar mehr als derzeit. (APA/Reuters, 17.8.2012)