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Foto: Archiv

Wien - Die Zusatzattraktion drängt sich nicht auf. Links und rechts von der riesigen Kinoleinwand vor dem Wiener Rathaus, abseits der Gourmet-standeln, um die sich ab heute, Samstag, wieder das Publikum drängt, wurden 24 Plakate affichiert. Drei mal fünf Meter groß, bunt und pointiert, zeigen sie die Einfälle internationaler Künstler zum Thema "friedliches Zusammenleben", zur Koexistenz.

Berlin, Belfast und Sarajewo Kapstadt Manchmal lieblich (der Planet Erde in Herzform), dann wieder bös (eine Ansammlung nackter, mit Strichcodes gestempelter Männerrücken) kommt die Schau "Coexistence" daher, die bereits auf zentralen Plätzen von so symbolträchtigen Städten wie Berlin, Belfast und Sarajewo sowie zuletzt im südafrikanischen Kapstadt zu sehen war.

Den Ursprung hat sie in Jerusalem, wo der Ausstellungskurator Raphie Etgar ein Museum leitet. Gefragt, ob dort die Idee eines friedlichen Zusammenlebens nicht längst von Furcht und Hass zerstört worden ist, sagte Etgar zum STANDARD, dass gerade der Nahostkonflikt bei vielen den Wunsch nach Dialog mit den anderen geweckt habe.

Tropfen im Ozean

"Ich bin nicht naiv", versichert Etgar. 55, der selbst in zwei Nahostkriegen gekämpft hat. "Ich weiß, dass eine Ausstellung nichts ändern wird, sie ist ein Tropfen im Ozean - aber der Ozean besteht eben aus vielen Tropfen."

Vor drei Jahren hat Etgar, zuvor Art Director beim Fischer-Verlag in Deutschland, das von der Jerusalem Foundation initiierte "Museum on the Seam" (Mots) übernommen. Es steht an der Nahtstelle des jüdischen Westjerusalem zum arabischen Osten und sollte ursprünglich die Wiedervereinigung der Stadt nach 1967 feiern. "Doch die Realität war die Intifada", meint Etgar. So versuchte er, in dem alten, noch Einschusslöcher tragenden Militärposten einen "Ort für Juden, Araber und Christen" zu schaffen, "wo sie den Konflikt und einander verstehen lernen".

Interaktives, gesellschaftspolitisches Museum

Ohne Hilfe von Staat und Stadt, dafür mit finanzieller Unterstützung der deutschen Verlegerfamilie Holtzbrinck, entstand in einer Mischung aus Kunst und Multimedia ein "interaktives, gesellschaftspolitisches Museum", von dem eine "virtuelle Tour" auf der Internetwebsite des "Mots" einen Eindruck gibt.

Weil der Einwanderungsdruck auf die großen Städte und fallende Grenzen die Problematik des Zusammenlebens überall an vorderste Stelle rücken ließen, entschloss sich Etgar, sein Projekt zu globalisieren. Mit einer internationalen Jury (darunter die Lords Attenborough und Weidenfeld, aber auch Japans Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe) lud er 200 Künstler aus aller Welt zur Teilnahme ein. Ständig kommen weiter Exponate dazu; in Wien wurden bei einem Wettbewerb der Universität für Angewandte Kunst vier Gestalter prämiert. Nächstes Jahr soll die Botschaft vom möglichen Zusammenleben übrigens auf die Plätze der großen Städte in den USA getragen werden. (Erhard Stackl, DER STANDARD Printausgabe 28/29.6.2003)