Für die einen ist er ein "Medien-Messias", für die anderen ein "Cyber-Terrorist". Julian Assange, Gründer der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks, dürfte der bekannteste und umstrittenste Internetaktivist seiner Generation sein. Jetzt hat er politisches Asyl erhalten. Die Regierung von Ecuador will ihn so vor einer möglichen Todestrafe in den USA schützen.

Mit dieser Entscheidung erhält Assange die Unterstützung durch eine souveräne Nation, und das ist bedauerlich. Denn Assanges Argumentation ist löchrig. Er sagt, dass die Auslieferung nach Schweden bedeute, dass er in die USA weitergereicht würde. Aber weder haben die USA dies beantragt, noch dürften ihn, nach geltendem Recht, die schwedischen Behörden überstellen, sollte ihm dort die Todesstrafe drohen. Und wenn es wirklich nur darum ginge: Ausliefern könnte ihn auch Großbritannien.

Bei der Causa Assange wird gern vergessen, dass hier die Vorwürfe der sexuellen Belästigung, Nötigung und minderschweren Vergewaltigung geklärt werden müssen, deretwegen ihn Schwedens Staatsanwaltschaft vernehmen will. Man mag Zweifel am Vorgehen der schwedischen Behörden haben, man mag sogar das Verhalten der ihn beschuldigenden Frauen merkwürdig finden, aber letztlich muss es einem Prozess im Rechtsstaat Schweden vorbehalten bleiben, Licht in die Causa zu bringen. Die beste Möglichkeit für Assange, seinen Namen reinzuwaschen und seine Freiheit zu erlangen, ist, sich diesem Verfahren zu stellen. (Jochen Wittmann, DER STANDARD, 17.8.2012)