"Indisches Märchen" (1910/12) von Rudolf Kalvach, seit 1993 in der Privatsammlung Leopold.

Foto: Leopold-Museum

Im Auktionsangebot von Markus Weissenböck wartet am 13. Oktober diese von Rudolf Kalvach für die Wiener Werkstätte entworfene Postkarte: Nr. 106, "Segen", Rufpreis 1.500 Euro.

Foto: Weissenböck Auktionen

Kalvach? Unbekannt! Das war weithin jene Reaktion, die Giorgio Uboni Anfang der 1970er in Wien erntete, wenn er, der Enkel des in der Familie als Genie bezeichneten, auf den Spuren des Großvaters KunsthistoriIker befragte. Nur vereinzelt, schildert Uboni, hatten Galeristen bzw. der Kunsthandel das Potenzial erkannt und bewahrt.

Seither sind vier Jahrzehnte vergangen und hat Giorgio Uboni über Archive und unzählige Gespräche mit Weggefährten die berufliche Vita seines Nonno rekonstruiert, dazu eine umfangreiche Kollektion an Kunstwerken zusammengetragen, die nun, um weitere Leihgaben ergänzt, die bislang umfassendste institutionelle Präsentation schmücken:

Noch bis 10. September stellt das Leopold-Museum diesen "Ikarus zwischen Jugendstil und Expressionismus" (Tobias Natter) in den Mittelpunkt der Sommerausstellung (Fantastisch! Rudolf Kalvach, Wien und Triest um 1900) und veröffentlicht mit dem begleitenden Katalog zeitgleich ein Werkverzeichnis.

Koko oder Kalvach?

Kalvachs Werdegang verlief zumindest anfänglich charakteristisch für die Zeit um die Jahrhundertwende und begann an der Kunstgewerbeschule. Aus dieser Zeit ist eine Beobachtung überliefert, mit der sich die spätere Kunstgeschichtsschreibung - ungeachtet der etwaigen Bedeutung - jedoch nicht allzu lange aufhalten sollte. Im Herbst 1900 hatte der 1883 Geborene also sein Studium begonnen, das mit Unterbrechungen (u. a. Militärdienst) bis 1912 fortdauerte.

Die von Carl Otto Czeschka geleitete Fachschule für Malerei und Zeichnen besuchte Kalvach ab 1905/06, im Jahr darauf stieß der jüngere Oskar Kokoschka hinzu. "Koko" war ein Arbeitsplatz gleich neben Kalvach ("starke künstlerische Eigenart, recht begabt") zugewiesen worden, und "bald machte Koko solche Sachen wie Kalvach!", erinnerte sich Czeschka Jahrzehnte später. Es ist mehr als eine Anekdote, denn tatsächlich waren die stilistischen Ähnlichkeiten der beiden Künstler anfänglich frappant, beispielhaft angesichts der Plakatentwürfe für die Kunstschau 1908.

Oder auch am Beispiel der letzten von Kalvach 1907/08 für die Wiener Werkstätte (WW) entworfenen Postkarten: Nr. 148 zeigt Fabeltiere und Figuren, die zugehörige Entwurfszeichnung, nunmehr im Bestand des Museums of Modern Art (New York), war irgendwann nachträglich manipuliert worden, konkret hatte jemand Kalvachs Monogramm (RK) in die kommerziell besser verwertbare Initiale "OK" umwandeln lassen.

Eine Verfälschung, die dem Auftraggeber vermutlich einen fünfstelligen Euro-Zugewinn eintrug. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Zeitgenossen ist Rudolf Kalvach ungeachtet seines Könnens auf dem internationalen Kunstmarkt eine Fußnote geblieben, und daran wird sich nichts ändern. Sein zwischen 1908 und 1918 entstandenes OEuvre behielt einen in Bezug auf die Menge sehr überschaubaren Umfang, erklärt Museumsdirektor Tobias Natter.

Genug, um die fantastische Welt Rudolf Kalvachs (1883-1932) kunsthistorisch zu beleuchten, aber zu wenig, um Museen oder Privatkollektionen kontinuierlich und preisbildend anzufüttern. Lediglich in der Welt der Postkartensammler genießt Kalvach größere Anerkennung, wenngleich seine skurrilen Motive als Raritäten gelten, wie Markus Weissenböck betont. Im Zuge von ihm veranstalteten Auktionen wechseln solche Exponate in einer Preisklasse von 1.000 bis 5.000 Euro den Besitzer.

Kalvachs wunderbaren handkolorierten Holzschnitte oder seine fantasievollen Emailarbeiten tauchen nur sporadisch auf dem Markt auf und blieben mit Höchstwerten von 800 bis 9.000 Euro drastisch unterbewertet. Unter den elf (!) Einträgen in den einschlägigen Kunstpreisdatenbanken genießen seine Ölgemälde mit exakt zwei Resultaten (Wien, London) geradezu Exotenstatus.

Den bisherigen Auktionsrekord hatte Rudolf Leopold 1993 für das 1910/12 ausgeführte Indische Märchen bei 26.450 Pfund bewilligt, das noch heute zum Bestand seiner Privatsammlung gehört und seither erstmals wieder in der Öffentlichkeit zu sehen ist.

Auf den zweiten Platz hatte Christa Zetter vor etwa zehn Jahren Träumende Mädchen gehievt (netto 14.534, im Kinsky), das nunmehr als Orientalisches Märchen II betitelt ebenfalls in der Ausstellung präsentiert wird. Der aktuelle Versicherungswert dieses Gemäldes liegt immerhin bei 150.000 Euro und damit auf vorläufigem Rekordniveau.   (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 18./19.8.2012)