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Garanten für Wiener Schmäh: Edmund "Mundl" Sackbauer und seine Toni.

Foto: AP Photo/Hans Punz

Es gehört schon ein Masel dazu, heute in Wien auf ein halbwegs unverfälschtes Wienerisch zu treffen - wobei sich im Augenblick die Frage stellt, was genau zu erwarten ist, sollte man ein solches Glück haben. Die Mischung macht's wohl. Es hat sich ja einiges angesammelt in den vergangenen Jahrhunderten - Österreich spricht hier auch ein wenig Französisch, Jiddisch und auch Rotwelsch.

Es zählt zur Wesensart des Ostösterreichers, sich gerne ein wenig kleiner zu machen. Deshalb trinkt er auch keinen Humpen, kein Maß und keine Halbe Bier, sondern ein Krügerl; der Diminutiv macht den Alkoholkonsum gleich halb so arg. Um aber doch Größe zu gewinnen, nimmt er dann Maß an anderen, beispielsweise an Paris, zumindest früher einmal. Von der Seine kommt etwa das Lavoir - spricht: Lawur - an die Donau. So hat der Kontakt der Dasigen mit französischen Adeligen Weltläufigkeit in die Zinskasernen mit den Bassena-Wohnungen gebracht. Das Bassin am Gang - oder Bacino, aus dem Italienischen - wird mittlerweile zur unbekannten Einrichtung, die Zimmer-Küche-Wohnungen mit einer Toilette für mehrere Parteien vor der Tür - das indische Klo, weil: jenseits des Ganges - gibt es ja auch nicht mehr.

Einen Gizzi kriegen

Aus dem Gebrauch ist auch das französische Trottoir. An höherer sprachlicher Präzision kann es aber nicht liegen, wenn sich Gehsteig durchsetzt, mit dem (Wieder-)Aufkommen der Tretroller wird dort längst nicht mehr nur gegangen. Die Radfahrer im Fußgängerleben sind ein anderes Kapitel, über die ihnen zukommende Rolle im Stadtverkehr lässt sich lange räsonieren. Und einen Gizzi kann einer da kriegen, also einen Zorn.

Jener überkommt ja manche auch, wenn sie in ihrer Zeitung über sprachliche Schluderei stolpern. Da fahren die Aktienkurse Achterbahn und das Postenkarussell dreht sich. Das muss man hinnehmen, bei der geringen börslichen Tradition in Wien kann einem Hochschaubahn einfach nicht in den Sinn kommen, und Ringelspiel ist viel zu sehr wohlklingend, um mit der österreichischen Postenvergabepraxis in Zusammenhang gebracht werden zu können. Das Wienerische hilft hier jedoch, es kennt, aus dem Jiddischen, die Chuzpe, eine Unverfrorenheit.

Einen Tinnef kaufen

Nicht nur der gelernte Hauptstädter vermutet ja, dass das alles eine Mischpoche ist. Das von der hebräischen Mischpacha kommende Wort hat einen Bedeutungswandel hinter sich: War zuerst einfach die Familie gemeint, wird es inzwischen in einem eher abwertenden Sinn gebraucht. Es kann jegliche Personengruppe gemeint sein, selbstverständlich auch die Familie, es braucht dazu nur ein Ganef identifiziert worden zu sein, jemand, der es mit der Ehrlichkeit nicht so genau nimmt, ein Ganove.

Es versucht halt jeder einen guten Schnitt zu machen, und wenn jemand billig zu einer schönen Sache gekommen ist, dann war das eine Mezzie - das ist das heutige Schnäppchen. Manchmal bekommt man dann einen Tinnef angedreht, eine nutzlose Ware, ein Glumpert. Da hat jemand einen anderen mit dem Schmäh genommen - aus dem Jiddischen von Schemá für Erzähltes, Gehörtes.

Haberer

Die an der Universität Wien arbeitende, deutsche Sprachwissenschafterin Alexandra Lenz erzählte jüngst in einem Standard-Interview, einer der ersten Ausdrücke, die ihr hier aufgefallen sind, sei Haberer gewesen. Diese intime Freundschaftsbezeugung kommt von Khaver, die Gaunersprache, das Rotwelsch, hat sich da beim Jiddischen bedient.

In Wien hat man sich darüber hinaus noch in manch anderer Sprache bedient. Vom Tschechischen und vom Ungarischen beispielsweise war an dieser Stelle schon die Rede, eine Erwähnung verdient zumindest noch Englisch; der grassierenden Angst wegen, das Deutsche verkomme nicht zuletzt seinetwegen zum Sprachbrei - sorry, ich muss noch kurz meine E-Mails checken.

Befindet man sich aber nicht zweifelsfrei auf einem Wiener Fußballfeld, wenn man Out, Corner und Backstoß hört? Und der, der im Goal steht, der heißt in Wien wie? Eben: Goalesel. (Otto Ranftl, DER STANDARD, 17.8.2012)