Wien - Bo Xilai, dessen Ehefrau Gu Kailai gerade ihr Urteil wegen Mordes erwartet, soll einem amerikanischen Enthüllungsjournalisten zufolge in illegalen Organhandel und die systematische Tötung von Falun-Gong-Mitgliedern verstrickt gewesen sein. Ethan Gutmann, Autor und als Geschäftsmann einige Jahre in China tätig, behauptete am Donnerstag in Wien: "Alle Medien berichten über den Gerichtsfall Gu und es wird öffentlich darüber gesprochen. Das deutet darauf hin, dass es sich hier nicht um das wahre Thema handelt."

Geschätzte 65.000 Anhänger der Meditationsbewegung Falun Gong seien in den Jahren 2001 bis 2008 Opfer der illegalen Organentnahmen geworden, vermutet Gutmann. Eines der traurigen Zentren des Organhandels sei die Provinz Liaoning gewesen. Gutmann glaubt, dass nicht nur Bo Xilai, der von 2003 bis 2007 Gouverneur der Provinz war, in die Vorgänge verwickelt war, sondern auch Sicherheitschef Zhou Yongkang und der ehemalige Chef der Kommunistischen Partei, Jiang Zemin. Zhou ist als Unterstützer Bos bekannt, Jiang veranlasste die Verfolgung der Falun Gong.

Verschwundene Häftlinge

In seinem Buch, das nächstes Jahr erscheinen soll und den Arbeitstitel "Execution Ward" trägt, will Ethan Gutmann diese Vorgänge ans Licht bringen. 1999 wurde die - nicht unumstrittene - Meditationsbewegung, die sich als traditionelle buddhistische "Kultivierungsschule" versteht, in China verboten. Seit 2001 häuften sich die Fälle von inhaftierten Falun Gong-Mitgliedern, die verschwanden.

"China ist eine Überwachungsgesellschaft. Wobei das Militär und die Parteimitglieder besonders überwacht werden. Es ist also höchst unwahrscheinlich, dass der Organhandel passiert ist, ohne dass die Regierung davon etwas mitbekommen hätte", betont Gutmann. Höhepunkt des Organhandels dürfte 2006 bis 2007 gewesen sein, danach gehen die Fälle zurück und nach 2008 wurden keine mehr bekannt. Seine Vermutung: Die Regierung habe die Vorgänge wahrscheinlich bis 2008 geduldet und anlässlich der Olympischen Spiele eingegriffen. "Wir wissen nicht, ob damit aufgehört wurde oder ob der Organhandel nun besser versteckt wird", bekennt Gutmann. "Es ist mir egal - die Vergangenheit muss aufgeklärt werden."

Gutmann ist nicht der erste, der die angebliche illegale Organentnahmen von Falun-Gong-Mitgliedern "enthüllte": 2006 schrieben die Kanadier David Matas und David Kilgour in einem Bericht, dass es Indizien gebe, wonach in chinesischen Gefängnissen politischen Gefangenen Nieren, Leber, Herz, Lunge und Hornhaut entfernt werden.

Der Handel mit Organen habe bereits in den 80er Jahren begonnen, berichtet Gutmann. Damals wurden quasi legale Operationen nach Exekutionen durchgeführt, in die die Häftlinge teilweise sogar selbst eingewilligt hatten. Im Laufe der Zeit wurden die Organentnahmen immer mehr institutionalisiert und systematischer. "Soweit wir sagen können, setzte der Wandel in 1997 ein", sagte Gutmann. Damals ging die Regierung brutal gegen eine Demonstration der Uiguren in Gulja vor. Sechs Monate später tauchte der erste Fall von einem jungen politischen Häftling auf, der seiner Organe beraubt wurde. Nach dem Verbot der Bewegung nahm die Zahl der inhaftierten Falun-Gong-Mitglieder rasant zu. Anfang der 2000er Jahre seien deshalb etwa die Hälfte der rund fünf Millionen Häftlinge, die es in immer China gibt, Praktizierer der Meditationspraxis gewesen. (APA, 16.8.2012)