Pflanzliche Treibstoffe können einen riesigen und stabilen Absatzmarkt für die Landwirtschaft bilden. Aus ethischer Sicht ist das eine schwierige Diskussion.

Foto: Skarics

Das Auto frisst tatsächlich Lebensmittel.

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Ethanol kann als umweltfreundlicher Kraftstoff gesehen werden: Es wird aus Pflanzen oder besser noch aus deren Früchten hergestellt und gilt dadurch als CO2-neutral. Ethanol hat eine sehr ähnliche Zusammensetzung wie Benzin und kann deshalb damit gemischt werden oder dieses komplett ersetzen. Ähnliches gilt für Pflanzenöle (z. B. Raps), die chemisch leicht verwandelt (verestert) dem Diesel beigemischt werden oder diesen ersetzen können. Daraus leitet sich die Hoffnung ab, dass man durch massiven Einsatz dieser Treibstoffe pflanzlichen Ursprungs die CO2-Bilanz des Individualverkehrs verbessern und die Abhängigkeit vom Erdöl verringern kann. Außerdem würden pflanzliche Treibstoffe einen riesigen und stabilen Absatzmarkt für die Landwirtschaft bilden.

Vor allem wegen Letzterem hat die EU schon vor vielen Jahren beschlossen, dem Benzin verpflichtend Ethanol beizumischen. Derzeit stehen wir bei fünf Prozent Ethanolgehalt im Benzin, der demnächst auf zehn Prozent erhöht werden soll. Im Herbst soll mit der Einführung von sogenanntem E10 begonnen werden: Superbenzin mit zehn Prozent Ethanolanteil - und sehr bald soll der höhere Ethanolgehalt für alle Benzinsorten Standard werden.

Massiver Widerstand

Dagegen regt sich massiver Widerstand von mehreren Seiten. Die Einführung, die in Deutschland schon seit längerem im Gang ist, stockt gewaltig, da es massive Bedenken der Autohersteller gab, ob ihre Autos diesen Kraftstoff überhaupt vertragen. Tatsächlich kann ein höherer Ethanolanteil zu Motorschäden führen. Erst langsam schaffen es die Autohersteller, verbindliche Listen zu erstellen, welche ihrer Typen bedenkenlos mit E10 betankt werden dürfen. Ethanol ist nichts anderes als Schnaps und zerfrisst Leitungen, wenn diese nicht dafür gebaut sind, und wäscht wegen seiner reinigenden Wirkung alte Verschmutzungen aus.

Das größere Problem: Missernten und Börsenspekulation führen zu einem Hochschnellen der Getreidepreise, welche die Herstellung von Ethanol signifikant verteuern und somit die Beimischung von Ethanol aus wirtschaftlichen Gründen weniger interessant machen. Vom humanitären Aspekt des Verheizens von Lebensmitteln und Anheizens des Hungers ganz zu schweigen.

Der österreichische Zugang war wirtschaftlich nicht unklug: Im Tullnerfeld wurde eine Ethanolfabrik gebaut mit einer Kapazität, die den österreichischen Ethanolbedarf für Fahrzeugkraftstoffbeimengung etwa decken kann und gleichzeitig auch noch Futtermittel herstellt, die sonst als Sojafuttermittel importiert werden müssten. (Bei der Produktion von Ethanol entsteht energiemäßig immer Alkohol und Futtermittel etwa je zur Hälfte, wie daheim beim Schnapsbrennen Schnaps und Maische.) Die Anlage konnte allerdings zum geplanten Zeitpunkt nicht in Vollbetrieb gehen, weil der Weizenpreis gerade zu hoch war. Dann pfiff das Geschäft einige Jahre. Jetzt ist es wieder so weit, dass die Ethanolherstellung wegen des hochschnellenden Weizenpreises wirtschaftlich unrentabel zu werden droht. Schwankende Weltmarktpreise sind "business as usual".

Was letztlich jedoch schwerer wiegt: Die Umweltbilanz von Ethanol ist bei weitem nicht so günstig wie meistens dargestellt. Ganz grob gesagt: In der Gesamtenergiebilanz braucht man ohnehin rund acht Liter Erdöl, um einen Liter Ethanol herzustellen. Der ehrliche Grund für die Ethanolproduktion ist deshalb nicht die günstige CO2-Bilanz, sondern die Sicherung von Absatzmärkten für die Landwirtschaft inklusive Verbesserung der Handelsbilanz für Futtermittel. Man kann die Zahlen hinschieben, wo man will, Ethanol ist keine Lösung, um die verkehrsbedingte CO2-Problematik zu entschärfen, weil die Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion einfach zu offensichtlich ist. Beispiel: Biospritproduktion in Brasilien. Auch wenn die dortige Ausgangspflanze Zuckerrohr nicht im Amazonasgebiet angebaut wird, so führt der Flächenbedarf für den Anbau doch zur Verschiebung anderer agrarischer Tätigkeiten ins Amazonasgebiet.

Deshalb wird auch schon seit Jahrzehnten an Verfahren gearbeitet, die keine Lebensmittel als Grundlage für die Ethanolproduktion benötigen, wo nicht essbare Früchte, sondern ganze Pflanzen verarbeitet werden. Generallösung ist das allerdings auch keine. Denn die Lebensmittelproduktion wäre durch Verdrängungseffekte noch immer bedroht. (Rudolf Skarics, AutoMobil, DER STANDARD, 17.8.2012)