Ohne Platzkarte lässt es sich kaum noch an touristischen Plätzen spielen. Dieser belgische Saz-Spieler ist allerdings noch mit einer Verwarnung davongekommen.

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Seit rund zwei Jahrzehnten unterhalten "Street Life Supreme" Schaulustige neben dem Stephansdom. Eine neue Verordnung könnte diese Ära der freien Straßenkunst beenden.

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"Mit uns hat niemand geredet." Die Gruppe "Street Life Supreme" wünscht sich, dass die Stadt auch auf ihre Bedürfnisse eingeht.

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In den Boden eingelassene Markierungen kennzeichnen, wo Platzkarten erforderlich sind.

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Eine im Juli umgesetzte Änderung der Wiener Straßenkunstverordnung zeigt ihre Folgen: Künstler, die seit jeher den Stephanspatz, den Graben und die Kärntner Straße in der Innenstadt geprägt haben, sind nun verschwunden.

Ein Marionettenspieler, der seit 20 Jahren an der Ecke zum Graben das Straßenbild dominierte, ist im bereits im Juli nach Salzburg übersiedelt, berichten mit ihm befreundete Straßenkünstler. Auch "Street Life Supreme", die bekannteste Breakdancer-Gruppe vom Stephansplatz, spielen mit dem Gedanken, ihr seit rund 17 Jahren Erfolg bringendes Territorium zu verlassen. Seit zwei Monaten sind sie nun schon nicht mehr aufgetaucht.

Platzkarten für Touristenorte

Mit der neuen Verordnung wird gerade an den Hotspots des Tourismus Straßenkunst stark reglementiert. So wurden für viele Plätze, an denen Künstler in Wien spielen dürfen, Platzkarten erforderlich. Früher konnten stille Straßenkünstler an Orten wie der Kärntner Straße zwischen 13 und 22 Uhr spielen. Seit Juli ist es ihnen sowie den akustischen Straßenkünstlern lediglich zwischen 16 und 20 Uhr erlaubt. Die Plätze wurden zwar auf rund 30 ausgeweitet, liegen aber in den Augen der Künstler oftmals ungünstig.

Die zeitliche Beschränkung sei ein Kompromiss gegenüber den Anrainern, die sich vermehrt über die "Dauerbeschallung" beschwert hätten, sagt Peko Baxant, Kampagnenleiter beim Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband.

Kein Monopol für die Breakdancer

Baxant hat nach Eintreten der Verordnung mit den Burschen von "Street Life Supreme" ein Krisengespräch geführt, habe aber nur wenige Zugeständnisse machen können.

Mit den Platzkarten, die nach einem Zufallsprinzip vergeben werden, "wollen wir für Gerechtigkeit unter den Künstlern sorgen", so Baxant. Das hätten auch die Breakdancer, die seit Jahren eine Monopolstellung am Stephansplatz gehabt hätten, einsehen müssen. Mit der neuen Verordnung zählen die Breakdancer nun zu den akustischen Straßenkünstlern und dürfen nur noch von Zeit zu Zeit mit Platzkarte am Stephansplatz spielen.

Politik will Umsetzung der Verordnung überdenken

Baxant kann aber gewisse Kritikpunkte verstehen. So wolle man die Vergabe der Platzkarten überdenken. Es soll dann künftig auch Tauschen unter den Künstlern möglich sein und für Gruppen nur ein Name eingetragen werden müssen. Bisher können sich Gruppenmitglieder etwa im Krankheitsfall nicht vertreten lassen.

"Stenzel-Paranoia"

Für Baxant gibt es einen anderen Grund, weshalb sich die Straßenkünstler verjagt fühlen: Seit Inkrafttreten der neuen Verordnung würden Polizisten noch rigoroser strafen. "Die Breaker konnten keinen einzigen Tanzschritt machen, ohne dass gleich ein Polizeibeamter vor ihnen stand", so der Kampagnenleiter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands.

Baxant hat den Eindruck, dass die Polizisten zu hart gegen die Künstler vorgehen, und spricht mit Blick auf Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel (ÖVP) von einer "Stenzel-Paranoia". Der Sozialdemokrat vermutet, dass die Beamten zu besonders rigidem Vorgehen angehalten seien, denn die Musikanlagen, die für die Breakdance-Performance erforderlich seien, würden mit den nicht zugelassenen Verstärkern gleichgesetzt (Details siehe Verordnung). Die Polizisten hätten ohne Ermahnung abgestraft und die Künstler wie Verbrecher behandelt.

Stadt wollte Flair wie in Paris

Wolfgang Schieferle vom zuständigen Magistrat (MA 36) will von den Problemen der Künstler noch nichts gehört haben. Die Verordnung schaffe für ihn ein "Flair wie in Paris", da sich durch die Platzkarten-Verteilung die Darbietungen an festgelegten Orten konzentrieren würden – das sei dann so wie "bei den Malern in Montmartre".

Dass durch die Verordnung die Arbeitszeit der Künstler auf maximal zwei Stunden am Tag reduziert wird und ihnen durch die Platzkarten auch weniger attraktive Orte wie der Praterstern zugeteilt werden, mindert die Geldeinnahmen jedoch erheblich. Ein Polizist vom Stephansplatz habe den Schwund jedenfalls deutlich gespürt. "Seit zwei Monaten ist es hier ruhig im Ersten", bemerkt er. Den am Mittwoch einzigen Musiker verscheucht er jedenfalls ohne Bußgeld. (Maria von Usslar, derStandard.at, 29.8.2012)