Knien, Stehen und Lotossitz: Das Morgengebet um drei Uhr bringt ungeübte Möchtegern-Buddhisten ins Schwitzen.

Foto: Czaja

Anreise & Unterkunft

Nach Seoul mit Korean Air ab Wien oder mit Asiana Airlines ab Frankfurt. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug KTX nach Gurye, weiter mit Bus und zu Fuß. Die Wohnkosten im Hwaeomsa-Tempel liegen bei etwa 25 Euro pro Tag. Überblick über alle Tempel in Südkorea: Templestay Information Center in Seoul.

Weitere Infos: Koreanische Zentrale für Tourismus in Frankfurt

Grafik: DER STANDARD

Der Tag im buddhistischen Tempelkloster Hwaeomsa beginnt, wenn für alle anderen noch Nacht ist. Yong Hyun Soo ist einer der ersten auf den Beinen. Seine Mission lautet, die rund 60 Mitmönche aus dem Schlaf zu reißen und zum morgendlichen Gebet zu locken. Nacht für Nacht stellt er seinen batteriebetriebenen Wecker auf drei Uhr, schleicht sodann zum Glockentempel empor, löst das elegant gebundene Seil, schwingt den hölzernen Schlägel und überlässt den Rest der Schwerkraft. Das Dong ist hunderte Meter weit zu hören.

"Die buddhistische Lehre geht davon aus, dass die Aktivität von Lebewesen um drei Uhr morgens beginnt", sagt der 17-jährige Novize aus Changyu. Außerdem: "Mit der Dunkelheit und dem fortschreitenden Sonnenaufgang können sich die Augen am besten an das Tageslicht gewöhnen. Was bleibt uns auch anderes übrig? Bei Dunkelheit wird im Kloster der Strom abgedreht, und man sieht nichts außer Mond und Sterne."

Hwaeomsa ist eines von mehr als hundert Tempelklöstern in Südkorea, in denen Pilger und Touristen gegen geringes Entgelt ein paar Tage wohnen und am Alltag der Mönche teilhaben können. Die Tempel profitieren ihrerseits durch ein gewisses Zubrot. "Templestay" nennt sich das weit im Land verbreitete Phänomen, und selbst des Englischen nicht mächtige Südkoreaner erstrahlen auf die Frage nach "Tempestee", und eine freundliche Hand mit Zeigefinger weist einem den Weg ins gebirgig bewaldete Nirgendwo.

Am Rande der Kleinstadt Gurye liegt der 544 gegründete Avatamsaka-Tempel von Hwaeomsa. Nachdem die Tempelanlage während der japanischen Invasion in Flammen aufgegangen war, wurden die einzelnen Tempel und Schreine in den Jahren 1630 bis 1636 wiederaufgebaut. Bis heute ist Hwaeomsa eine der schönsten und größten buddhistischen Anlagen auf der koreanischen Halbinsel.

Zurück zum Dong. In der Zwischenzeit hat sich die Gakhwangjeon-Halle mit ein paar Dutzend Mönchen gefüllt. Es beginnt eine Abfolge aus Singen und Meditieren. Alle paar Sekunden führt einer der grau und orange gekleideten Geistlichen zwei Schlaghölzchen zueinander, und mit jedem Schlag wird eine andere Körperposition eingenommen: Sitzen, Knien, Stehen, Lotossitz. Eine ganze Stunde lang. Selbst die biegsamsten Gestalten aus Nichtkorea geben nach ein paar Minuten w. o. und müssen vor dem goldenen Buddha kapitulieren.

"Das war wohl nichts", wird Bruder Hyedham die Anstrengungen des Autors in seinem Kabäuschen später kommentieren. Der 45-jährige Mönch ist Student der buddhistischen Sanga University und lebt seit vier Jahren in Hwaeomsa. "Ich habe vorhin gesehen, wie Sie sich abgerackert haben. Respekt! Den meisten Touristen ist unsere Gebetsabfolge zu sportlich, und sie geben noch viel schneller auf als Sie! Tee?"

Früher arbeitete Hyedham für Samsung und exportierte Computer-Hardware nach Russland und Europa. Vor rund zehn Jahren kehrte er der Wirtschaft den Rücken und wandte sich der Religion zu. "Das Meditieren macht mich glücklicher als die Arbeit da draußen. Es ist ein Leben im Einklang mit Körper und Natur." Und es ist nicht nur ein Leben für Buddha. Nach dem Abschluss an der Sanga University will Hyedham nach Großbritannien auswandern und dort seine Lehren zum Besten geben.

Der gelbe Tee, heiß eingegossen, muss mit drei Schlücken ausgetrunken werden. Eine heiße Angelegenheit, die des richtigen Verhältnisses von Spitzmündigkeit, Ausatmen und Schlürfen bedarf. Da lacht Hyedham schon wieder. Es wird der letzte Tee für heute bleiben. Zum Frühstück um sechs Uhr werden Tofu-Suppe, Reis und vergorene Bohnen serviert. Letzteres verlangt nach unmittelbarem Runterspülen. Mit beleidigter Zunge nähert sich der Autor dem Blätteraufguss. Schon stürmt eine kleine Nonne herbei, an ihrem Unterarm baumelt eine nachgemachte Louis-Vuitton-Handtasche, reißt ihm die Teekanne aus der Hand und klopft ihm wie einst Großmama auf die Finger: "Tee nur für Buddha! Hier Becher, dort Wasserhahn! Los! Los!" (Wojciech Czaja, Rondo, DER STANDARD, 17.8.2012)