Walter Koller, Mühlbachs oberster Fischer, wirft seine Reusen an der Traun in Oberösterreich aus. An guten Tagen holt er mehrere tausend Signalkrebse aus dem Fluss.

Foto: Tobias Müller
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Vorsicht bissig: Wer mit lebenden Flusskrebsen hantiert, muss auf die Scheren achten, die Tiere können sich durchaus wehren.

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Walter Koller nennt es eine "Invasion". "Es ist ein Wahnsinn", sagt er. "Sie sind überall. Die meisten Menschen haben ja gar keine Vorstellung, was alles in den Flüssen und Seen lebt." Koller ist oberster Fischer in Rohrbach in Oberösterreich, sein Gegner ist der Signalkrebs, ein Flusskrebs aus den USA. Derzeit holt er täglich tausende aus der Traun, trotzdem sind so viele im Fluss, dass Taucher an manchen Stellen gar keinen Flussboden mehr sehen vor lauter Krebsen. Sie fressen den Fischlaich, sodass sich die ursprünglichen Flussbewohner nicht mehr vermehren. Und sie übertragen die Krebspest, die den heimischen Edelkrebs dahinrafft. Höchste Zeit also, zurückzuschlagen und sie aufzuessen.

Der Flusskrebs ist eine Delikatesse, wenn er richtig behandelt wird. Geschmacklich etwas weniger intensiv als der Hummer, entzückt er mit zartem Fleisch und mild-süßem Krustentieraroma. Meist werden in Österreich aber nur tiefgekühlte Krebse aus dem Iran oder der Türkei angeboten, die ganz fürchterlich verschrien sind. "Eingefrorene Flusskrebse sind ungenießbar, der letzte Scheiß", sagt der sonst zurückhaltende Heinz Reitbauer vom Steirereck.

Zart und wirklich frisch

Das Tier muss wirklich frisch sein: Weil das Fleisch wie bei allen Krustentieren höchst verderblich ist, müssen die Krebse unbedingt noch leben, wenn man sie in den Kochtopf wirft. Sobald sie in den kochenden Sud fallen, färbt sich ihr schlammgrüner Panzer appetitlich rot. Das Fleisch darf nicht auf mehr als 63 Grad erhitzt werden, sonst zerfällt es und wird breiig-faserig. Nach zwei, drei Minuten werden sie abgeschöpft und entweder ganz serviert oder die Scheren und der Schwanz ausgelöst. Am besten schmecken sie puristisch zubereitet, sodass ihr Aroma nicht übertüncht wird.

Gezüchtet gibt es Flusskrebs fast das ganze Jahr, im Sommer aber, wenn die Flüsse sich erwärmen, beginnt in Österreich die Saison für den Wildfang - bloß weiß das kaum einer mehr.

Krustentierregelung

Im 19. Jahrhundert wurden Flusskrebse in Österreich so exzessiv gegessen, dass die Knechte und Mägde Oberösterreichs schriftlich festhielten, dass ihre Herrschaften ihnen nicht öfter als einmal pro Woche das Krustentier vorsetzen dürfen. Dann aber kam die Krebspest, eine Pilzerkrankung, die das Tier dahinraffte. Bis die Gewässerverwalter auf eine folgenreiche Idee verfielen.

Weil er immun gegen den Pilz war, importierten sie in den 1960er-Jahren den amerikanischen Signalkrebs nach Europa. Was die Einschlepper nicht bedachten: Der Krebs stirbt zwar selbst nicht an der Pest, er überträgt sie aber. Während der einheimische Edelkrebs seither fast ausgestorben ist, vermehrte sich der Signalkrebs wie ein Unterwasser-Karnickel. 150 Eier legt ein Weibchen pro Saison, etwa 150 Meter Fluss pro Jahr erobert das Tier überall dort, wo es einmal auftritt. Bisher ist er vor allem in Oberösterreich unterwegs. Koller tut sein Bestes, um ihn etwas aufzuhalten.

Krebs kontra Köder

2004 beschwerten sich die Fischer erstmals bei ihm, dass sie in seinem Revier nichts mehr fangen würden, die Krebse fräßen ihnen ständig die Köder vom Haken. Ungläubig warf Koller ein paar Reusen aus - und fing auf Anhieb hunderte Krustentiere. Seither geht er jedes Jahr im Sommer auf die Jagd.

In Gummistiefeln stapft er derzeit täglich durch das Gebüsch am Ufer der Traun, mit zwei Eimern voll toter Fische in den Händen. Der Krebs ist zwar ein Allesfresser, besonders gut ködern kann man ihn aber mit Aas aus der Karpfenfamilie. Wenn keine Fischreste zur Hand sind, tut es auch Rinderleber - "die riecht aber nicht so lange und streng wie der Fisch, sie lockt die Krebse kürzer an", sagt Koller. 30 Reusen hat er an der Traun ausgelegt, wenn alles gut geht, stecken bei jedem Einholen etwa 100 Krebse in den Körben. Das erste Mal leert er sie gegen drei am Nachmittag und bestückt sie mit neuen Fischresten. Zwei Stunden später sind die Fallen bereits wieder gefüllt.

Koller verkauft sie an lokale Restaurants für 15 Euro das Kilo, jeden Freitag veranstaltet er in Rohrbach ein großes Krebsessen. Weil der Signalkrebs aber nicht ganz so delikat schmeckt wie sein heimisches Pendant und einen kleineren Schwanz und weniger Fleisch hat, hat er es schwer in der Spitzengastronomie.

Sternekoch Reitbauer würde nie einen auf seinen Tellern dulden, das Steirereck serviert Edelkrebse aus der Zucht des Gut Dornau in Niederösterreich. Für den Freizeitgourmet aber taugt der Amerikaner für ein wunderbares Abendessen. Und wenn eines Tages alle Signalkrebse zusammengegessen sind, kommt zur Belohnung vielleicht auch der wilde Edelkrebs zurück auf die Wirtshausteller. (Rondo, Der Standard, 17.08.2012)