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Der Chef des Hohen Islamischen Rats, Mahmud Dicko, betete in Bamako für den Frieden.

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Mit den Extremisten im Norden ist dieser bisher nicht in Sicht.

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Mali galt einst als Positivbeispiel im westlichen Afrika. Arm zwar, aber politisch stabil und großteils friedlich, genoss Bamako in europäischen Hauptstädten einen guten Ruf. Doch seit ein Teil der Armee Ende März den langjährigen Präsidenten Amadou Toumani Touré stürzte und Tuareg-Rebellen gemeinsam mit Islamistengruppen den Norden des Landes eroberten, ist Mali vom Musterstaat zum Sorgenkind geworden. Das Land - so warnten allen voran die Ex-Kolonialmacht Frankreich, die USA und der UN-Generalsekretär - könne sich zu einem Rückzugsort für Terrorgruppen entwickeln.

Islamistische Gruppen haben den nördlichen Teil des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und versuchen eine strenge Auslegung der Scharia durchzusetzen. Ende Juli wurde ein Paar gesteinigt, dem die Islamisten außerehelichen Sex vorwarfen, vergangene Woche in Ansongo einem Dieb die Hand abgehackt. Eine Amputation in Gao verhinderten zunächst die Proteste lokaler Bewohner.

Neben der Gruppe Ansar Dine des ehemaligen Tuareg-Anführers Iyad Ag Aghali und der Al-Kaida im Islamischen Maghreb, kurz Aqmi, hat sich unter den Islamisten zuletzt die Bewegung für die Einheit und den Jihad in Westafrika (Mujao) hervorgetan.

"Soweit wir wissen, ist Mujao der extremistischste Arm der Aqmi und auch sehr stark involviert in den Drogenhandel und Kidnappings", sagt Alessandra Giuf frida vom Zentrum für Afrika-Studien der University of London. Daher verfüge die Gruppe über finanzielle Mittel. Das Ziel der Mujao sei offensichtlich, ein Terrorregime im Norden zu errichten.

Ansar Dine habe dagegen zum Ziel, die Scharia in ganz Mali einzuführen. Es gebe Spekulationen, dass sie über Saudi-Arabien und Katar finanzielle Mittel aus Algerien erhalten habe. "Es ist schwierig zu sehen, welche politische Agenda diese Gruppen verfolgen, abgesehen von der Einführung der Scharia und dem Gebrauch einer extremistisch-islamistischen Ideologie, um gegen die Regierung in Bamako zu arbeiten."

Die von westlichen Staaten geäußerten Befürchtungen, dass Nordmali zu einem Terroristenhort werden könnte, scheinen nicht unberechtigt. "Es gibt Gerüchte, dass unter den Mitgliedern dieser extremistischen Gruppen auch Leute sind, die in Afghanistan und Pakistan trainiert worden sind", sagt Giuffrida.

Die Tuareg-Rebellen der säkularen Nationalen Befreiungsbewegung von Azawad (MNLA), die noch im Frühjahr mit Waffen aus Libyen den Norden erobert und einen Staat namens Azawad (s. Grafik) ausgerufen hatten, spielen kaum mehr eine Rolle. Viele seien ins Nachbarland Burkina Faso geflohen und versuchten dort auf diplomatischem Wege etwas zu erreichen, sagt die Nordafrika-Expertin Ines Kohl vom Wiener Institut für Sozialanthropologie.

Erschwert wird die Krise durch den Umstand, dass es in Bamako nach dem Putsch vor fast fünf Monaten noch immer keine starke Regierung gibt. Übergangspräsident Dioncounda Traoré ist es bisher noch nicht gelungen, eine Regierung der Nationalen Einheit zu bilden (s. Interview). "Solange es in Bamako keine Machtbasis gibt, sind alle Bemühungen, die Krise im Norden zu lösen, umsonst", sagt Georg Lennkh, Afrika-Experte des Außenministeriums.

Vermittlungsversuche

Eine Regierung der Nationalen Einheit hat die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, kurz Ecowas, auch zur Bedingung dafür gemacht, Truppen zu schicken. Zuletzt sind jedoch die Versuche in den Mittelpunkt gerückt, zwischen Bamako und den Islamisten zu vermitteln. Der Außenminister Burkina Fasos, Djibrill Bassolé, reiste vor einer Woche in den Norden, um erste Kontaktgespräche mit der Ansar Dine zu führen. Auch die Ecowas hat angekündigt, Verhandlungen aufnehmen zu wollen. Von Bamako aus hatte der Hohe Islamische Rat, die größe Vertretung der malischen Muslime, versucht, die Islamisten zum Rückzug zu bewegen.

Vertreter der Ansar Dine hatten sich positiv über die Initiativen geäußert. Eine Bedingung für Verhandlungen sei allerdings, dass Ansar Dine alle Verbindungen zu Terrorgruppen aufgebe, hieß es in Bamako. Experten zweifeln an der Umsetzbarkeit dieser Auflage. (Julia Raabe /DER STANDARD, 16.8.2012)