Innsbruck - Ehemalige Heimkinder aus St. Martin bei Schwaz erheben im Kurier Vorwürfe gegen den Kristallkonzern Swarovski. In den 1960er-Jahren seien Mädchen als Arbeitskräfte ausgenutzt worden. Sie hätten tagelang Glitzersteine aussortieren und dann auf Bänder aufbringen müssen. Geld hätten sie dafür kaum bekommen.

Konzernsprecher Markus Langes-Swarovski zeigte sich erschüttert. "Mich hat das äußerst betroffen gemacht, und ich wusste bislang nichts von derartigen Vorwürfen im Zusammenhang mit Swarovski." Er werde einen unabhängigen Historiker einsetzen und sich aktiv um Aufklärung bemühen. Wer etwas darüber wisse, sei eingeladen, an der Aufar beitung mitzuarbeiten, so Langes-Swarovski. Bisher konnte jedoch in den Firmenarchiven nichts zu den Auftragsvergaben aus dieser Zeit gefunden werden. Auch in den Landesarchiven ist man bisher nicht fündig geworden.

Das Unternehmen nehme die Vorwürfe sehr ernst, gerade weil man einen fairen Umgang mit Mitarbeitern pflege. 2013 werde außerdem eine Forschungsarbeit des His torikers Dieter Stiefel zur NS-Vergangenheit des Konzerns präsentiert.

Auch Darbo unter Verdacht

Auch das Land will die Vorwürfe gegen Swarovski überprüfen. Bisher seien diese jedoch in keinem Gespräch mit Missbrauchsopfern aufgetaucht, sagt Manfred Jenewein aus dem Büro von Landesrat Gerhard Reheis (SP). Verheimlichen wolle man jedenfalls nichts. Das Land bittet aber Betroffene, sich zu melden.

Auch beim Marmeladenhersteller Darbo und dem Beleuchtungsunternehmen Eglo haben laut Kurier Heimkinder aus St. Martin gearbeitet, ohne dafür Geld erhalten zu haben. Die Bezahlung sei ans Heim geflossen,

Anfang Juli war eine erste wissenschaftliche Studie von Michaela Ralser vom Institut für Erziehungswissenschaften Innsbruck vorgestellt worden. Diese soll ein erster Schritt zur Aufarbeitung der Heimgeschichte in Tirol und Vorarlberg sein. Die Studie basiert auf Akten der Heime und mündlichen Überlieferungen von damali gen Heimkindern. Sie soll eine Entscheidungsgrundlage dafür bieten, welche Projekte zur Aufarbeitung der Heimgeschichte und Fürsorgeerziehung in Angriff genommen werden sollten.

Studienautorin Michaela Ralser empfahl vier weitere Detailstudien zur Untersuchung der Vorgänge in "exemplarischen" Heimen. Dar un ter ist auch St. Martin in Schwaz. Es war das einzige Erziehungsheim für schulentlassene Mädchen in Westösterreich. Es zeige als früheres Arbeitshaus und Gefängnis die Entwicklung einer Erziehungsanstalt. Ebenfalls genauer aufgearbeitet werden sollen die Opferberichte der "Bubenburg" in Fügen, eines klassischen konfessionellen Heims. Auch die Psychiatrische Kinderbeobachtungsstation in Innsbruck und das Vorarlberger Fürsorgeheim Jagdberg sollen untersucht werden. Im Herbst wollen die Länder Tirol und Vorarlberg weitere konkrete Schritte zur Aufarbeitung der Heimgeschichten präsentieren. (Verena Langegger, DER STANDARD, 16.8.2012)