Als 2002 Minority Report in die Kinos kam, wusste man noch nicht, dass ein ähnliches System zehn Jahre später zur Realität werden könnte

Screenshot: derStandard.at

Bis WikiLeaks auf das Spionagesystem "TrapWire" vor einigen Tagen hingewiesen hat, haben laut Golem die wenigsten davon Wind bekommen, schon gar nicht die breite Masse. "Trapwire" ist ein komplexes System, das Verdächtige mittels Verknüpfung von Datenbanken und Überwachungskameras ermittelt.

"Predictive Policing"

WikiLeaks hat die Informationen rund um "TrapWire" einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt: Demnach soll das System Terroristen vor der Ausübung einer Tat erkennen, um Sicherheitsbehörden einzuschalten und eventuelle Terroranschläge zu verhindern. Das Konzept ist nicht neu, aber "Predictive Policing" ist aufgrund seiner hohen Vernetzung beängstigend und dessen immer intensiver werdender Einsatz aktueller denn je.

System soll menschliche Arbeit ersetzen

Das System ist bereits im Einsatz. In Großstädten wie New York, den Casinos in Las Vegas und auch in London an der Börse ist "TrapWire" allgegenwärtig. Auch am israelischen Flughafen Ben Gurion werden potenzielle Täter mittels Predictive Policing herausgefischt und untersucht: Bestimmte Kleidung, bestimmte Gesten und Blicke werden vom System identifziert, wenn sie vorher als "auffällig" festgelegt wurden. Menschen, die sich in Massen auffällig ruhig verhalten oder nervös wirken, gehören zu den Erstverdächtigen in Flughafen-Szenarien. In Israel allerdings wird das System noch von Menschen ausgeführt. Fehlalarme werden dafür in Kauf genommen. Eine genaue Analyse mit einem automatisierten System sei ohnehin nur dann möglich, wenn die gesammelten Daten miteinander verknüpft und ausgewertet werden - wie bei "TrapWire". Gewöhnliche Pattern Recognition - zu Deutsch Mustererkennung - ist in der Videoüberwachung schon lange im Einsatz: Autos, die zu lange oder zu oft vor bestimmten Gebäuden stehen, werden genauer unter die Lupe genommen. Auch einzelne Personen können mittels Videoüberwachung an anderen Orten wiedergefunden werden.

Anonymous gegen Stratfor

Die Dokumente, die das bezeugen, stammen aus internen E-Mails vom US-Unternehmen Stratfor, welches bereits 2011 zum Ziel einer Attacke von Anonymous wurde, im Zuge dessen interne E-Mails und Kreditkartendaten kopiert wurden. Dass die USA Verträge mit Abraxas Applications haben, ist unumstritten, seit USAspending die Ausgaben dafür dokumentierte. Laut New York Times wurde das System allerdings nur mit 15 Kameras in Seattle und Washington getestet und im letzten Jahr beendet.

Einzeltäter überführen

Stratfor hat laut veröffentlichten E-Mails eine Kooperation mit Abraxas Applications, welches "TrapWire" umgesetzt hat. Das System wurde bereits im Jahr 2005 vom Firmenchef selbst angekündigt. Es analysiert Videobilder und setzt diese mit anderen aus dem Netz verfügbaren Informationen in Beziehung. Besonders Einzeltäter sollen damit überführt werden, weil deren Absichten kaum aus Netzwerken durchsickern. Bewegungen im öffentlichen Raum und das Verhalten von Personen soll und kann damit vorhersagbar gemacht werden.

Gegen Aktivisten, nicht Terroristen

Laut eigenen Angaben, die mit den E-Mails veröffentlicht wurden, sei das System auch eher für Bedrohung von Aktivisten denn Terroristen gedacht. Was und wer konkret damit gemeint ist, ist nicht bekannt. Im offiziellen Paper allerdings wird immer von Anti-Terrorismus-Maßnahmen gesprochen. Darin heißt es weiter: "TrapWire wurde speziell entwickelt, um Verhaltensmuster und Anomalien zu erkennen. Sensible und personenbezogene Daten werden nicht gespeichert". Sollte das System tatsächlich BürgeraktivistInnen verfolgen und herausfiltern, wäre dies eine demokratische Bedrohung. Viele Datenschützer zeigen sich anhand der Entwicklungen und der Adaptierung des Systems besorgt. Auf einer Google Map werden im Moment bekannte Orte der "TrapWire"-Kameras aufgezeichnet und gesammelt. (iw, derStandard.at, 14.08.2012)