Angesichts der Entwicklungen fällt es schwer, an einen Zufall zu glauben: Speziell in den vergangenen zehn Tagen, die dem "zivilen Gegenputsch" von Präsident Mohammed Morsi vorausgingen, hatten die Muslimbrüder ihre Gangart gegen ihnen kritisch gegenüberstehenden Medien verschärft.

So wurde die Zeitung Al-Dustur beschlagnahmt und der TV-Kanal Faraeen geschlossen. Zugegebenermaßen haben beide Medien, die für ihre Muslimbrüder-Feindschaft bekannt sind, übers Ziel hinausgeschossen: Al-Dustur etwa hatte bereits im Juni behauptet, dass die Muslimbrüder ein "Massaker" planen, sollte ihr Kandidat Morsi nicht zum Präsidenten erklärt werden. Der Vorwurf gegen die Zeitung, die auch unter dem alten Regime immer wieder unter Zensur zu leiden hatte, lautet demnach " Verhetzung". Und die TV-Show des Moderators Tawfik Okasha auf Faraeen ist offene Agitation von Anhängern des alten Regimes. Dennoch wird das Vorgehen des Staats gegen die Medien von vielen kritisch betrachtet, zumal es von anderen Erscheinungen begleitet ist.

Überwachung der Privaten

Dazu gehört, dass der Informationsminister - ein Posten, der nach Meinung vieler Demokraten überhaupt abgeschafft gehört - ein prominentes Mitglied der Muslimbruderschaft ist. Salah Abdel Maksud ist selbst Journalist und Gewerkschafter und eigentlich angesehen. Aber spätestens als Morsi ein paar Tage nach der Regierungsbildung auch ein neues " Medienkomitee" ankündigte, das auch die privaten Medien "überwachen" solle, wurden viele hellhörig. In einer Radiosendung sagte Morsi, Journalisten sollten Rechenschaft darüber abgeben müssen, warum sie so und nicht anders berichten.

Am meisten hat die Medienwelt jedoch verärgert, dass die Schura, die zweite - im Gegensatz zum Abgeordnetenhaus nicht aufgelöste - Kammer des Parlaments, die von den Islamisten dominiert wird, vor kurzem die Chefredakteure staatlicher Zeitungen neu ernannt hat. Aus Protest erschienen am Donnerstag mehrere Kolumnen bekannter Autoren ohne Text.

"Blind vor Arroganz"

Darunter sind Schreiber, die auf der Seite der Revolution und nicht etwa, wie Okasha, auf jener der alten Ordnung stehen. Der Kolumnist Gamal Fahmy schrieb in Al-Tahrir: "Diese Rubrik bleibt leer, um gegen das vererbte System zu protestieren, das mit Mubarak und seinem Sohn nicht verschwunden ist. Es scheint so, dass die Muslimbrüder, blind vor Arroganz, es wiederbeleben wollen. Dieser Protest richtet sich gegen ihre Kontrolle der Medien im öffentlichen Eigentum."

Was auffällt, ist, dass immer vor dem staatlichen Vorgehen gegen Medien empörte Muslimbrüder vor den betreffenden Redaktionen protestieren - ein billiges Instrument, um zu beweisen, dass man gemäß dem Wunsch des Volkes handelt. Al-Dustur etwa wurde von den Demonstranten vorgeworfen, immer wieder - den offensichtlich dünnhäutigen - Morsi persönlich zu beleidigen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 14.8.2012)