Salzburg - Ganz ohne Markus Hinterhäuser geht es während des Salzburger Festspielsommers ja doch nicht. Das hat damit zu tun, dass ihm der Salzburger Verleger Jochen Jung im vergangenen Jahr ein Buch in die Hand drückte und fragte, ob er es denn nicht übersetzen wolle. Hinterhäuser wollte zunächst nicht. Las es. Und wollte.

Was weiter nicht verwunderlich ist. Denn der 72-jährige britische Schriftsteller Gabriel Josipovici erzählt in Unendlichkeit. Die Geschichte eines Augenblicks das Leben eines Komponisten. Genauer gesagt sind es Erinnerungen des Butlers und Chauffeurs Massimo - eines Menschen " mit überschaubarem intellektuellem Vermögen", wie Markus Hinterhäuser konstatiert - an seinen Dienstgeber, die er einem anonymen Fragesteller anvertraut: "Sie müssen wissen, mein Herr, dass Mr. Pavone, obwohl er heftig und herrisch erscheinen konnte, ein warmherziger Mensch war."

Pavone heißt auf Deutsch so viel wie Pfau: ein passender Name für diesen klugen, misanthropischen und selbstironischen Dandy ("Was Schuhe betrifft, sagte er, waren wir Italiener immer die Besten"), der, wie Josipovici in einem Interview offenherzig bekennt, das Alter Ego von Giacinto Scelsi (1905- 1988) ist, "dem wunderbaren, einsiedlerischen, italienischen Komponisten, dessen Äußerungen über alles Mögliche, vom Rhythmus in der Musik zu schönen Frauen und der Zukunft der Zivilisation, eine merkwürdige Mischung aus Tiefsinnigkeit und Schwachsinn sind. Tatsächlich war es diese Mischung, die ich so attraktiv fand und die ich versucht habe zu imitieren."

Scelsi wiederum war ein für Hinterhäuser enorm wichtiger Komponist, ihm hat er als Musikchef der Salzburger Festspiele 2007 den ersten Schwerpunkt gewidmet. In den vier Monaten, in denen er diese hinreißenden, nie abreißenden, intelligenten und bornierten Reflexionen über Musik, Politik, Frauen, Erotik, das Leben und den Tod übersetzte, habe er sich gefühlt, wie er sich sein ganzes Leben gefühlt habe: "Als Interpret. Also als jemand, der sich den Text in gewisser Weise zu eigen macht. Man macht sich ja auch ein Musikstück zu eigen, interpretiert es, übersetzt Musik aus abstrakter Notenschrift in Klang." Vieles, so gut wie alles, was ihn an Musik interessiert, werde in diesem Buch behandelt: "Wir wollen keine Musik, die humpelt", heißt es da etwa, "wir wollen Musik, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Wir wollen Musik, die tanzt, nicht Musik, die sich mal zu der einen und mal zu der anderen Seite neigt. Wir hatten schon genug von dieser Art Musik, von Wagner und von Mahler und von all diesen anderen humpelnden Deutschen mit ihrer Besessenheit von Bergen und Seen. Weißt du, warum sie so besessen waren, Massimo? Weil ihre Seen tuberkulös waren." (Andrea Schurian, DER STANDARD, 13.8.2012)