Bild nicht mehr verfügbar.

Der kubanische Bauer Carlos Alberto Gonzalez (re.) darf seine Zwiebeln in Havanna seit kurzem ganz offiziell verkaufen. 

Foto: AP/Reyes

Bild nicht mehr verfügbar.

28. März 2012: Die Begegnung zwischen Fidel Castro und Papst Benedikt XVI. war mehr als nur höfliche Geste.

Foto: Reuters

Auch wenn Fidel die Macht an seinen Bruder Raúl abgegeben hat, so gilt er doch noch immer als Personifizierung Kubas. 

Havanna/Puebla - Liest man die staatlichen Medien, so ist auf Kuba alles wie gehabt: Da wird die Straußenzucht ebenso in höchsten Tönen gelobt wie ein indischer Ölbaum namens Moringa Oleifera. Von beidem erhofft sich die Führung demnach Wunder gegen die Versorgungsengpässe. Den meisten Kubanern entlocken diese Meldungen schon längst nur ein müdes Lächeln: Derlei Experimente sind sie gewöhnt, seit Fidel Castro 1959 in Havanna einmarschierte. Seien es Rekord-Zuckerernten, asiatische Büffel oder chinesische Schnellkochtöpfe - meist angepriesen vom Obersten Revolutionsführer persönlich.

Inzwischen hat sich der Comandante, der am Montag seinen 86. Geburtstag feiert, aus dem Tagesgeschehen weitgehend zurückgezogen und sinniert in seinen Kolumnen über das Weltall, die Genese von Kriegen und Atombomben. Die Bevölkerung hingegen ist längst damit beschäftigt, den capitalismo a la cubana auszuprobieren.

Kleinbetriebe entstehen

Und was sich da seit 2006 getan hat, seit Raúl Castro die Macht übernahm, weicht durchaus von der reinen sozialistischen Lehre ab. Neben den ineffizienten und von Mangelwirtschaft geplagten Staatsbetrieben ist inzwischen ein buntes Sammelsurium aus privaten Handwerks- und Gastronomiebetrieben entstanden. Bauern erhielten Ländereien in Erbpacht und dürfen nun ihre Ernte vermarkten; Autos und Häuser können frei ver- und gekauft werden.

Rund eine halbe Million Kubaner haben sich selbstständig gemacht, 47.000 haben Kredite aufgenommen, viele bieten ihre Dienstleistungen an - trotz hoher Steuern und Engpässen beim Kauf von Betriebsmitteln. Mittelfristig soll sich nach der Vorstellung des Reformökonomen Omar Everleny Perez vom Studienzentrum der kubanischen Wirtschaft (CEEC) ein Paradies entwickeln: "Kleinbetriebe sind flexibel und wettbewerbsfähig."

Bis es so weit ist, überbrücken billiges Erdöl und großzügige Transferleistungen aus Venezuela die Engpässe. Doch mit der Rezession 2009 im Bruderstaat und der Krebserkrankung von Staatschef Hugo Chávez wurde klar, dass dieses Standbein wegbrechen kann.

Die Liberalisierung war nicht einfach, der jüngere der Castro-Brüder muss auch gegen interne Widerstände anfechten. Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben: Im ersten Halbjahr 2012 wuchs die Wirtschaft um 2,1 Prozent. Doch noch deckt die Landwirtschaft längst nicht den Eigenbedarf, noch ist die Infrastruktur prekär, noch tröpfeln die Auslandsinvestitionen - weshalb ein neues Investitions- und Steuergesetz Kuba nun attraktiver machen soll. Doch erst einmal haben gleich zwei Ölkonzerne das Handtuch geworfen, nachdem mehrere Offshore-Probe bohrungen keinen Erfolg brachten.

"Der Weg ist lang und mühsam", orakelte Raúl Castro. In der Tat haben sich viele Kubaner mutigere Reformen erhofft. Weder wurden Reisebeschränkungen aufgehoben, noch wurden die Löhne (durchschnittlich 14 Euro) erhöht. Und politische Liberalisierung steht nicht auf dem Programm des 81-Jährigen, der das chinesische und vietnamesische Modell bewundert.

Raúl Castro weiß, auf welche Gratwanderung er sich begibt. Die Reformen schaffen letztlich eine Lobby von unternehmerisch denkenden Kleinkapitalisten, die den sozialistischen Staat infrage stellen könnten. Und die soziale Bresche wächst zwischen Unternehmern und denen, die weiter von mageren Staatsgehältern und Pensionen leben müssen. Die Reformen opfern ein Stück Gleichheit für mehr Effizienz; ein Dilemma, das wohl die Nachfolger der Castro-Brüder erben werden.(Sandra Weiss /DER STANDARD, 13.8.2012)