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Enzo Capuano als "Giampetro, kalabrischer Diener des Fürsten" und Hagen Matzeit als "Armillo, Page der Stellidaura" in "La Stellidaura Vendicante".

Foto: APA / INNSBRUCKER FESTWOCHEN / RUPERT LARL

Innsbruck - Nur aus Leid entstehe Freude, hieß es im Schlusschor: in canto veritas. Denn erst kurz zuvor, bei einem abrupten Turnaround des Handlungsgangs und nach gut dreieinhalb Stunden persönlicher Passion, hatte das Publikum im Tiroler Landestheater zum ersten Mal herzhaft zu lachen gehabt.

Gut, das 1674 verfasste Libretto Andrea Perruccis ist nicht gerade ein Geniestreich: Außer reichlich Briefverkehr und noch mehr amourösem Hin und Her passiert nicht viel. Doch durch Figuren wie der des dauerkasperlnden Dieners Giampetro (bemüht Enzo Capuano) ist La Stellidaura vendicante mindestens so sehr Burleske wie Tragödie; zudem hat hier jede hehre Emotion eine beträchtliche Folge von Wechselbädern zu absolvieren, aus welchen sie letztlich, jeglicher Ernsthaftigkeit entkleidet, als nackter Schabernack entsteigt.

François De Carpentries versuchte von Beginn an die Hohlheit der gesungenen Liebes- und Leidensbehauptungen sichtbar zu machen: So ließ er Armidoro (mit geschmeidigem Glanz Adrian Strooper), einen der zwei Liebhaber der Titelheldin, in seiner Auftrittsarie die gleiche Pose unzählige Mal wiederholen.

Neben einigen netten, vorhersehbaren Einfällen wie den die Szene etwas aufpeppenden Zwillingselfen zeichnete der viel am Brüsseler Théâtre de la Monnaie tätige Regisseur jedoch für eine Inszenierung verantwortlich, die Maßstäbe in puncto Hässlichkeit setzte: Wenn Trash-Tycoon Harald Glööckler im Berliner Friedrichstadtpalast Oper inszenieren würde, wäre wohl kein heftigeres Gegeneinander der Farben und der Stile zu erwarten (Ausstattung: Karine Van Hercke).

Licht und Dunkelheit

Das optische Grauen ließ De Carpentries (Licht) gern uniform von greller Helligkeit bestrahlen - an anderen Bühnen nennt man so etwas Arbeitslicht. Atmosphäre kam aber auch nicht zustande, als Fürst Orismondo (kraftvoll Carlo Allemano) zu Beginn geliebte Schatten pries: Da herrschte vor dem Sternenzelt dumpfe Dunkelheit.

Die akustischen Atmosphären, die Alessandro De Marchi und die meist sichere Academia Montis Regalis in der Interpretation von Francesco Provenzales vielgesichtiger Musik kreierten, waren vornehmlich solche der Dezenz; Emotion blieb gern unter einem Glassturz pulsschwacher Zartheit gefangen.

Schade, dass bei der Buffofigur des Giampetro lediglich ein wenig Geklapper von der Perkussion dazukam, saftige Vitalität jedoch kaum erlebbar war. Assistiert von ihrem umtriebigen Pagen Armillo (parodistisch stark Hagen Matzeit) war Jennifer Rivera als rachefreudige Titelheldin ein Aktivposten, wenn sie nicht gerade eine widerspenstige, überlange Schleppe hinter sich herzuzerren hatte. Ein Bild mit Symbolcharakter für einen Abend, an dem so einiges leidbringend hakte, bis schlussendlich Freude aufkam.  (Stefan Ender, DER STANDARD, 10.8.2012)