Hemd von Prada, Anzughose Gaspard Yurkievich, Taschenuhr O'Clock

Foto: Rafaela Pröll

Polo von Prada, karierter Blazer von Raf Simons

Foto: Rafaela Pröll

Kurzarmhemd von Jil Sander, darüber ein T-Shirt von Art Point, Sakko und Shorts von Gaspard Yurkievich

Foto: Rafaela Pröll

Fotos: Rafaela Pröll
Styling: Felix Leblhuber / Making of
Haare/Grooming: Patrick Glatthaar
Model: Martin Beranek / Wienermodels
Mode von: Prada, Jil Sander, Art Point, Gaspard Yurkievich, Raf Simons, O'Clock, Gintman Bros., Calvin Klein Collection

Foto: Rafaela Pröll

Es gibt Zusammenhänge, die scheinen willkürlich zu sein, aber trotzdem sind sie wie in Stein gemeißelt. Drogen etwa werden in unserem Kulturkreis mit Farben assoziiert, mit einem giftigen, unreinen Amalgam gesteigerter Farbeindrücke, unter denen sich wie in "Easy Rider" die Formen verzerren. Die Bildschärfe geht genauso verloren wie die Kontrolle über sich selbst. Bereits Aristoteles nannte Farbe eine Droge (pharmakon), und noch heute scheint ein Unbehagen an Farben unsere Wahrnehmung zu durchziehen. "Seit der Antike" konstatierte der britische Kulturwissenschafter David Batchelor in seinem Buch Chromophobie, werde Farbe "systematisch verdrängt, verleumdet, abgeschwächt und abgewertet". In der Literatur genauso wie in der Malerei. Und natürlich auch in der Mode - besonders in der Männermode.

Seitdem diese vor nunmehr zwei Jahrhunderten auf den dunklen Anzug gekommen ist (um sich damit vom aufgeplusterten Adel zu unterscheiden), beherrscht die modische Welt der Männer eine Scheu vor allem, was jenseits der Farbskala Dunkelblau-Grau-Schwarz liegt. Eine bunte Krawatte? Sie ist für viele bereits das höchste der Gefühle. Grellbunte Socken, die unterm Hosenbein hervorblitzen? Sie markieren bereits die Exzentriker in der Männerwelt. Dabei fristen Farben in der Modewelt nicht unbedingt ein Nischendasein. Die Damenmode ist voll davon - nur die Männer tun sich schwer damit. Männer und Farben, das scheint nicht zusammenzugehen.

Aus Sphären verbannt

Wahrscheinlich, weil Farben traditionell aus allen Sphären, die auf eine gewisse "Ernsthaftigkeit" pochen, verbannt sind. Die Farbe der Intellektuellen? Schwarz. Die Farbe des Kunstraums? Weiß. Ein Satz am Ende von Goethes Farbenlehre fasst die Vorurteile, die hier am Werk sind, zusammen: "Endlich ist noch bemerkenswert, dass wilde Nationen, ungebildete Menschen, Kinder eine große Vorliebe für lebhafte Farben empfinden, dass Tiere bei gewissen Farben in Zorn geraten, dass gebildete Menschen in Kleidung und sonstiger Umgebung die lebhaften Farben vermeiden und sie durchgängig von sich zu entfernen suchen."

Diese Zeilen wurden während des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts geschrieben, also in einer Zeit, in der die heutige Herrengarderobe de facto definiert wurde. Von Männern ist in ihnen nicht die Rede, aber es ist klar, dass es von "ungebildeten Menschen" und Kindern zu Frauen ein kurzer Weg ist. Im bürgerlichen 19. Jahrhundert galten Kosmetik und grelle Farben als Zeichen für eine "liederliche" Frau, ein Befund, der sich erst mit dem Aufkommen des Kinos und später des Farbfilms ändern sollte, als rote Lippen und rosa strahlende Wangen die Sehnsüchte der weiblichen Kinobesucher anstachelten. Dabei ist die "Verknüpfung von Farbe, Kosmetik und Weiblichkeit" keine Erfindung der Neuzeit, weiß David Batchelor: Sie reiche bis in die Antike zurück.

Freizeitmode als Biotop

Wobei es natürlich immer auch Biotope gab, in denen sich Männer farblich ausleben durften. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war es etwa das Gilet, wo zart- oder kräftigfarbene Samt-, Seiden- und Brokatstoffe eingesetzt wurden, viel später war es die Sport- und Freizeitmode, in denen die strenge Farbskala außer Kraft gesetzt wurde. Auch die derzeitige Konjunktur von Farben und Mustern in der Männergarderobe kommt aus diesem Bereich.

Bemerkenswert ist allerdings, dass sie die Grenzen zur formaleren Garderobe schon vor längerem eingerissen hat. Als Calvin Klein vor einiger Zeit inmitten einer Parade unscheinbarer Anzüge einige neongelbe und -orange Anzüge einstreute, dachte niemand daran, dass diese Knallbonbons sich auch verkaufen würden. Sie avancierten zu den am öftesten nachgefragten Modellen der Saison. Genauso wie die flamboyanten Entwürfe eines Raf Simons bei Jil Sander, einer Miuccia Prada oder eines Dries Van Noten. Diese Farb- und Musterseligkeit geht bereits seit einigen Saisonen so, und wer vor einigen Wochen den Kollektionspräsentationen für das Frühjahr des kommenden Jahres beiwohnte, der sah: Es wird auch noch eine Weile so weitergehen. Männer und Farben, das scheint plötzlich zusammenzugehen.

Zumindest in der kleinen Welt der Mode. Oder ist es vielleicht so, dass Farben derzeit einfach nur besonders perfide ihre Macht ausspielen? "Farbe ist gefährlich", schreibt Batchelor: "Sie ist eine Droge und bedeutet zumindest vorübergehend den Verlust des Bewusstseins und eine Art Blindheit." Keine Frage: Manchmal zieht man es vor, blind durchs Leben zu gehen. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 10.8.2012)