Ein weiblicher Nördlicher Gelbwangen-Schopfgibbon.

Foto: Tilo Nadler/DPZ

Göttingen - Gibbons werden auch als Kleine Menschenaffen bezeichnet, sie sind die Schwestergruppe unserer unmittelbaren Verwandtschaft und kommen aussschließlich in bewaldeten Regionen Südostasiens vor. Jagd und Zerstörung des Lebensraums haben dazu geführt, dass alle 15 Gibbon-Spezies als gefährdet gelten.

Ein besonders ernüchterndes Fazit ziehen Forscher nach einer umfassende Studie zu Gibbons in Vietnam, wie das Deutsche Primatenzentrum (DPZ) berichtet: Alle sechs dort lebenden Gibbon-Spezies sind vom Aussterben bedroht. Das gilt auch für den Nördlichen Gelbwangen-Schopfgibbon (Nomascus annamensis), den die Forscher des Deutschen Primatenzentrums erst 2010 entdeckt hatten.

"Die neuen Daten zeigen ganz klar, dass die Bestände fast aller Gibbonarten in Vietnam stark zurückgegangen sind und die Tiere auf der Roten Liste als 'stark gefährdet' oder 'gefährdet' gelistet werden müssen", sagt Christian Roos, Biologe in der Abteilung Primatengenetik am DPZ. Seine Kollegen, die in Vietnam die Menschenaffen gezählt haben, hatten einen anstrengenden Job. Gegen vier Uhr morgens machten sich die Teams aus Wissenschaftern und Rangern in zehn Gebieten im Dschungel von Vietnam auf den Weg zu ihren Lauschposten auf den umliegenden Bergen: Gezählt haben sie die Affen nämlich anhand ihres markanten Gesangs während der Morgendämmerung und am späten Morgen.

Fleisch und Pseudo-Medizin

Illegale Jagd, Wildtierhandel und Lebensraumverlust durch Landumwandlung haben die dramatische Verringerung der Bestände vorangetrieben. Sogar in den Reservaten nimmt der Mensch den Gibbons ihren Lebensraum, berichten die Forscher: Durch illegales Holzfällen, landwirtschaftliche Eingriffe und Infrastrukturentwicklungen wie Dämme für Wasserkraft oder Straßen. Die Gibbons, die trotz dieser Einschränkungen noch in den Reservaten leben, sind von Jägern bedroht. "Wilderer jagen Gibbons, um sie auf dem Haustiermarkt zu verkaufen und um aus ihnen medizinische Produkte ohne nachgewiesene Heilwirkung herzustellen", erklärt Roos.

Die Lage der Gibbons in den Reservaten verbessern könne nur die Regierung in Vietnam. "Die Ranger müssen besser ausgebildet und besser bezahlt werden", mahnt Roos. Außerdem bräuchten sie bessere Ausrüstung, um mit den Wilderern mithalten zu können: GPS-Systeme, Waffen und Kleidung. Auch das Management der Reservate müsse effektiver werden. (red, derStandard.at, 18.8.2012)