"Weintrauben und Schmetterlinge" im Vanitas-Gemälde von Philipp Ferdinand de Hamilton (um 1667).

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Wien - Herkules beim Pinkeln? Abgesehen vom Manneken Pis sind solche wasserlassenden Motive aus der Kunstgeschichte eher weniger bekannt. Aber das zotige Thema des trunkenen Halbgotts war in der Antike sogar populär. Obwohl das Sich-Erleichtern in hohem Maße als unschicklich galt, schmückte die trunkene Pose als Gemme einen Ring aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Zu welchen Gelegenheiten die Römer wohl solche Geschmeide trugen?

Auch Bacchus oder sein griechisches Pendant Dionysos sowie ihre laute Gefolgschaft werden stets wenig vorteilhaft dargestellt: Feist, mit aufgedunsenem Leib, schlafend oder dämlich grinsend. Der Trunkene Silen hängt beim Niederländer Jan Swart van Groningen (Mitte 16. Jh.) wie ein nasser Sack auf einem Esel, scheint sich jeden Moment übergeben zu müssen.

Der jämmerliche Zustand der von Alkohol Enthemmten, Folgen wie Wahn, Gewalt und zügellose Sexualität waren aber fast immer beliebte Sujets der Kunst: Vasen, Trinkgefäße und die absonderlichsten Apparaturen für Trinkspiele zierten Darstellungen von rauschhaften Ausschweifungen.

Jene die Heurigensaison begleitende Ausstellung Kunst voller Wein im Kunsthistorischen Museum greift bei der Illustrierung dieser Vielfalt in die Vollen der eigenen Sammlung. Aber auch die kultischen, religiösen Dimensionen des Weins ("Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben") weiß man mit würdigen Exponaten darzustellen: etwa mit Jan Davidsz. de Heems Gemälde Eucharistie, einem prächtigen barocken Stillleben, oder einer Kopie nach Bruegel vom Fest des Hl. Martin. Zu Ehren des Patrons der Gastwirte wurde am Martinstag auch der erste junge Wein ausgeschenkt.

Dazu kommt der Rebsaft als Thema alttestamentarischer Szenen: beispielsweise die Geschichte von Lot und seinen Töchtern. Die machten den Vater trunken, um durch Inzest den Fortbestand ihres Volkes zu sichern. Bei allem Bemühen, dem Wein als Motiv gerecht zu werden, bleiben die jeweiligen zeitgeschichtlichen Bezüge - auch im Katalog - jedoch an der Oberfläche. Der Versuch einer Kulturgeschichte ist daher trotz guter Trauben nur verwässerter Wein. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 8.8.2012)