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Olafur Stefansson, 39 Jahre alt, ist Islands überragender Spieler und in seiner Heimat eine Legende. Nach Silber 2008 erhielt er das Großritterkreuz.

Foto: EPA/SRDJAN SUKI

So groß ist die Welt, und so klein ist Island. Etwas mehr als 318.000 Einwohner verteilen sich auf etwas mehr als 103.000 Quadratkilometer, ergibt gut drei Isländer pro Quadratkilometer. Von Bevölkerungsdichte kann man da fast nicht mehr reden. Dennoch kommen die Isländer auch in größerer Zahl gerne und oft zusammen, am liebsten, um Sport zu betreiben oder Sport anzusehen. Und weil so was von so was kommt, mischen sie seit vielen Jahren in der Handball-Weltspitze mit.

In Peking 2008 war das kleine Land Olympia-Zweiter, in London ist ihm Gold zuzutrauen. In der Vorrunde ist neben Island, das auch Olympiasieger Frankreich besiegte (30:29) und am Mittwoch im Viertelfinale auf Ungarn trifft, allein Kroatien ohne Punktverlust geblieben.

Islands Stargoalie Björgvin Pall Gustavsson steht am Spielfeldrand sowie Rede und Antwort. Die Nummer eins hat die letzte Gruppenpartie zu einem guten Teil auf der Ersatzbank verbracht. Der Gruppensieg stand schon fest, der Erfolg gegen Großbritannien (41:24) war Formsache. "Handball ist in Island eine große Chance", sagt Gustavsson. "Wir Handballer sind Vorbilder für Kinder und Jugendliche. Viele spielen im Ausland und verdienen gut, dort wollen auch die Jungen hin." Isländische Trainer sind ebenfalls angesehen, so gibt Patrekur Johannesson den Teamchef Österreichs. Unter einem seiner Vorgänger, Dagur Sigursson, war Österreich Neunter der Heim-EM 2010.

Dependance Deutschland

Vor fünf Jahren ist Gustavsson (27), der Torhüter, nach Deutschland aufgebrochen, seit 2011 fängt er für den SC Magdeburg. Sieben weitere isländische Internationale sind in der deutschen Liga engagiert, andere könnten folgen, da der dänische Vorzeigeklub AG Kopenhagen kürzlich in Konkurs ging. Vier Isländer sind davon betroffen und auf Vereinssuche, eine Medaille würde ihrem Marktwert nicht schaden.

Doch generell haben Teameinsätze, sagt Goalie Gustavsson, mit Geld nichts zu tun. "Hier in London verdienen wir wenig. Aber deshalb sind wir auch nicht hier. Hier geht es um unseren Sport und um unser Land. Wir kämpfen immer, geben immer alles, das ist unsere Mentalität." Vor dreißig, vierzig Jahren hat sich Handball als Volkssport etabliert. Vierzig Klubs gibt es auf der Insel, doch selbst die oberste Liga ist nur halbprofessionell, Spiele werden im Schnitt von 500 bis 1000 Zuschauern besucht. Viele Jugendliche kommen da zum Einsatz, lernen von den Älteren.

Aron Palmarsson hat besonders schnell gelernt. Der 22-Jährige gilt als eines der größten Talente weltweit, ihm wird eine große Zukunft prophezeit. Vor vier Jahren bereits hat ihn der deutsche Serienmeister Kiel verpflichtet, sein Vertrag läuft bis 2015. "Ich habe früh begonnen mit dem Sport, als Sechsjähriger drei- bis fünfmal pro Woche trainiert - nicht nur Handball, auch Fußball und Basketball. Erst mit 16 habe ich mich fix für Handball entschieden."

"Strakarnir okkar" nennen die Isländer ihr Handballteam, "unsere Burschen". Die Burschen sind insgesamt ziemlich routiniert, Palmarsson ist der mit Abstand Jüngste. Nun steht er neben Kapitän Olafur Stefansson (39), der sein Idol war. Stefansson hat in gut 300 Länderspielen mehr als 1500 Tore erzielt, er gilt als isländische Legende, nach der Silbernen 2008 wurde er mit dem Großritterkreuz geehrt.

Bis dato vier Medaillen

Islands olympische Erfolgsliste ist eher kurz. Zweimal gab's Bronze, 1984 durch Judoka Bjarni Asgeir Friariksson und 2000 durch Stabhochspringerin Vala R. Flosadottir, dazu zweimal Silber, 1956 durch Dreispringer Vilhamjur Einarsson und 2008 im Handball. Nach London reisten neben den 14 Handballern drei Schwimmer, vier Schwimmerinnen, zwei Leichtathleten, eine Leichtathletin, ein Schütze, ein Judoka und eine Badmintonspielerin. Die Schwimmerinnen holten einen 15. Staffelrang, Asdis Hjalmsdottir ist eine talentierte Speerwerferin - aber Medaillenhoffnungen gibt es nur im Handball.

Handball macht glücklich

Die Wirtschaftskrise samt Staatsboykott hat Island auch sportlich verändert. "Die Leute bewegen sich jetzt mehr", erklärt Teamgoalie Gustavsson. "Vereine sind überlaufen, Fitnesscenter boomen." Im Handball zieht es noch mehr noch Jüngere noch früher ins Ausland. "Und wenn das Team Erfolge feiert, sind die Menschen darüber glücklicher als früher. Weil sie kurz ihre Probleme vergessen können."

Allein Fußball ist auf der Insel populärer als Handball, wenn auch weniger erfolgreich. In der Weltrangliste liegt Island an der 129. Stelle, 69 Plätze hinter Österreich. Im Fußball bringt Island weniger Legionäre als im Handball hervor, der bekannteste ist Eidur Gudjohnsen, der bei Chelsea und Barcelona spielte. Gudjohnsen ist übrigens der Onkel von Aron Palmarsson, dem jungen Handballer mit der großen Zukunft, der in London um eine Medaille spielt. So klein ist die Welt. (Fritz Neumann, DER STANDARD 8.8.2012)