Michael Fassbender als pflichtbewusster Androide David, der in " Prometheus" ein wahrer "scene-steeler" ist. 

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In opulenten digitalen Schauerlandschaften sucht man Gott vergeblich, vergnüglich ist es dennoch.

Wien - "The big dental patient", den großen Zahnpatienten, nannte US-Regisseur James Cameron augenzwinkernd jenen riesigen Pilotensitz einer fremden Lebensform, der zu Beginn von Alien entdeckt wird, weil er an einen Zahnarztstuhl erinnert. Was es mit ihm auf sich hat, wurde nie richtig geklärt - das verhinderte der eklige Parasit, der in insgesamt vier Alien-Filmen sein Unglück über die Menschen brachte. Als Ridley Scott, der britische Regisseur des ersten und besten Teils (1979), ankündigte, zum Ausgangsort dieses Klassikers zurückzukehren, war die Aufregung groß. In Prometheus, so hieß es von Anfang an, soll es um die umfassendere Mythologie des Alien-Kosmos gehen - und auch die Identität des Zahnpatienten gelüftet werden.

Man kann es ruhig vorwegnehmen: Wer sich von Prometheus erwartet, die letzte Antwort auf offene Fragen zu bekommen, wird enttäuscht sein. Denn inhaltlich erweist sich der Film trotz seiner losen Anbindung an H. P. Lovecrafts Berge des Wahnsinns als einigermaßen konfuse Unternehmung. Nichtsdestotrotz bereitet dieser Scifi-Film viel Vergnügen. Er reißt zwar mehr an, als er verarbeiten kann, und verliert sich manchmal im Abstrusen, doch insgesamt hat man hier nie den Eindruck, für dumm verkauft zu werden: Ridley Scott ist mit visueller Eindringlichkeit (die 3-D-Technik erweist sich endlich einmal als wirksames Gestaltungsmittel) daran gelegen, den Zuschauer in eine Welt digitaler Schauerlandschaften zu führen.

Ziel der Weltraumexpedition von Prometheus ist es, sich Klarheit über die Herkunft der Menschheit zu verschaffen - und den "Engineers", unseren angeblichen Vorfahren, einen kleinen Besuch abzustatten. Wie immer im Alien-Franchise ist der Auftraggeber des Trips, die Weyland Corp., dubios. Die Wissenschaft in Gestalt der Archäologin Elizabeth Shaw - die Schwedin Noomi Rapace übernimmt erfolgreich die Rolle der neuen Ripley - und ihres Partners Holloway (Lodan Marshall-Green) sieht sich der eiskalt-verführerischen Konzernvertreterin Vickers (Charlize Theron) gegenüber, die ihre eigentlichen Motive nicht preisgibt.

Die neuen Figuren sind mit Sorgfalt gezeichnet, wirken aber durchaus funktional und erfreuen mit Schrullen: Vor allem Michael Fassbender als pflichtbewusster Androide David, der an einen anderen David aus The Man Who Fell To Earth erinnert, erweist sich als regelrechter "scene-stealer" im Ensemble. Im Verein mit der zuerst Wärme, dann verbissenen Kampfgeist verströmenden Wissenschafterin Shaw verfügt er über die dichtesten Momente des Films, in denen es auch um die Verantwortung der Schöpfer für ihre Wesen geht - und umgekehrt. Dass Ridley Scott dem Horror-Kern der Alien-Welt treu bleibt und sich nicht zu weit in metaphysischen Spekulationen verliert, ist ein weiterer Grund, warum der Film funktioniert - er bleibt attraktives Unterhaltungskino.

Die Forschungen auf dem fremden Planeten setzen das richtige Maß an Pathos (über eine scheinbar erloschene Zivilisation) und Schrecken (über eine Spezies, die einen neuen Wirt benötigt) frei. Die Klaustrophobie des Originals geht dabei zwar weitgehend verloren, dafür erfindet Prometheus ein paar wirklich gruselige Momente von Body-Horror und schwelgt in einer szenischen Opulenz, die mit den Mitteln der späten 70er-Jahre noch nicht zu haben war.

Allerdings muss man Prometheus ohnehin im Zusammenhang mit zeitgenössischem Scifi-Kino betrachten, und da bleibt er mit seinem fröhlichen Skeptizismus gegenüber dem freundlichen Zusammenleben der Arten eine Ausnahme. Prometheus hat eine maliziöse Freude daran, Hoffnungen auf ein göttliches Prinzip zu zerstreuen. Der griechische Sagenheld hat der Menschheit das Feuer gebracht, mit dem Flammenwerfer entscheiden sie nun im dunklen All über ihr Überleben. Ach, ja: Auch das Rätsel des Zahnpatienten wird gelöst, es hilft aber niemandem so recht weiter. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 8.8.2012)