Das Plakat zur Ausstellung.

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Jugendbücher schicken junge Leserinnen und Leser auf eine Reise.

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Hänschen klein ging, bekanntlich allein, in die weite Welt hinein. Robert und sein Regenschirm wurden 1845 vom Wind weggetragen, Nils Holgersson 60 Jahre später von den Gänsen, Karlsson hob vom Dach ab und Bär und Tiger wollten gleich nach Panama. Michael Ende erzählt in seinen Büchern gerne vom Reisen, in eine andere Welt, in der Kinder Dinge lernen, um in der richtigen Welt zu bestehen. Auch in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur wird gern gereist, gefahren, getrampt und Meter gemacht.

Die Kinder- und Jugendliteratur geizte nie mit dem Motiv des Aufbruchs, der auch Ausbruch ist - die Reise ist Metapher fürs Erwachsenwerden und Reifen. Je nach zeitlichem Kontext kehren die jungen Heldinnen und Helden geläutert und angepasst oder aber befreit und selbstbewusst ins Leben zurück - wenn sie denn zurückkehren.

Kritik am Leben

Unterwegs sein und sich auf den Weg machen als jugendliche Kritik am Leben - das ist der gedankliche rote Faden in der sehenswerten Ausstellung "Unterwegs" im Linzer Stifterhaus. Anhand mehrerer Stationen werden die Motive des Unterwegsseins für Kinder und Jugendliche erklärt und mit literarischen Beispielen versehen. 60 aktuelle Jugendbücher für Leser und Leserinnen ab 12 Jahren werden näher vorgestellt, Stationen mit Zitaten, Hörbeispielen und Videos laden die jungen Besucher dazu ein, sich auf Texte und Bücher einzulassen. Zum Nach- und Weiterlesen gibt es einen kostenlosen "literarischen Reiseführer".

Fremde, Heimat

Das Reisemotiv in der Jugendliteratur sei als Entfernung von den Eltern und als Selbstfindungsprozess zu deuten, schreibt Franz Lettner von Wiener Institut für Jugendliteratur im Katalog "In die weite Welt hinein". "Die Jugendlichen suchen letztlich nicht das Fremde, sondern die Heimat." Ihre Reise ist Symbol und Metapher, die Pole sind Fernweh und Heimweh. Meist sind die Eltern, ist das Zuhause das Motiv junger Reisender. Man will weg von den Eltern - oder man will sie finden.

Reise zum Ideal

Auch wenn die Suche erfolglos bleibt, sind Reisen in der Literatur keine leeren Kilometer. "Nils Holgerssons Reise hat einen Sinn, er entwickelt sich vom Tierquäler zum Tierfreund, er übernimmt soziale Verantwortung und entdeckt sein ökologische Gewissen", schreibt die Literaturwissenschaftlerin Daniela Strigl im Katalog. Robinson Crusoe werde vom leichtsinnigen Fernwehkranken zum "puritanischen Organisator des Lebens." Nach seiner Reise heiratet er und reüssiert in der Geschäftswelt. So kann eine Reise zum Selbst bei dem enden, was die Gesellschaft als ideales Selbst ausverhandelt hat. Was als Ausbruch begann, wird hier zur Anpassung. (Lisa Mayr, derStandard.at, 3.10.2012)