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Fabian Hambüchen

Foto: Reuters/Martinez

London - Olympia 2004 - der jüngst deutsche Sportler in Athen turnt und redet sich mit rustikalem Charme in die Herzen der Nation. Fabian Hambüchen, noch nicht 17 Jahre alt, 1,64 Meter groß und 63 Kilogramm schwer, wird mit der Mannschaft Achter und erreicht für sich die Finale am Reck und im Mehrkampf. Rang sieben am Reck rechtfertigt nicht ganz den Hype, der schon während der Spiele um den "Turnfloh" aus Bergisch-Gladbach ausbricht.

Im selben Jahr noch wird Hambüchen, der mit Drei mit dem Turnen begonnen hatte, in einer Sendung des ZDF unter die besten 100 deutschen Sportler des Jahrhunderts gewählt - auf Rang 62. Erst 2007 entspricht der Bursche dieser Ehre bei der Heim-WM in Stuttgart mit Gold am Reck. Er wird deutscher Sportler des Jahres und bis 2010 sechsmal Europameister. In Peking 2008 bleibt Hambüchen Gold verwehrt und am Reck Bronze - die größte Enttäuschung eines jungen Lebens, das er zwei Jahre später in einer Autobiografie beschreiben lässt.

Anfang mit drei

Natürlich nimmt im da und dort ein wenig belächelten Werk Vater Wolfgang einen wichtigen Platz ein. Selbst ein ehrgeiziger Turner, erkannte er als Trainer in Wetzlar das Ausnahmetalent des jüngeren seiner beiden Söhne und formte ihn auch gegen Widerstände zum Weltklasse-Athleten. In den Hochzeiten war Hambüchen ein Showstar, ein Quotenbringer für Stefan Raab und Günther Jauch. Mit dem Sonderweg, den er und sein Vater einschlugen, eckten sie an. Im Jänner 2011 erlitt er einen Riss der linken Achillessehne, die Karriere des erst 23-Jährigen hing am seidenen Faden.

Im Juni dieses Jahres feierte Hambüchen aber mit dem deutschen Mehrkampf-Titel und Siegen am Boden und am Reck ein triumphales Comeback. "Hambüchens Super-Show" (Süddeutsche Zeitung) schraubte die Erwartungen für London in lichte Höhen.

Die Enttäuschung folgt auf dem Fuß. Während Marcel Nguyen mit Silber hinter dem Japaner Kohei Uchimura sensationell für die erste deutsche Medaille im Mehrkampf seit 76 Jahren sorgt, wird Hambüchen nach Patzern am Seitpferd und Stürzen beim Sprung und vom Reck 15.

Dennoch ist Hambüchen für das Finale auf seinem Lieblingsgerät zuversichtlich, weil er glaubt, das richtige Rezept gefunden zu haben. Nicht die spektakulären Flüge über die Stange, sondern die sauberen Abgänge hatten im Training Priorität: "Der Stand wird sehr entscheidend sein. Unabhängig davon gehe ich aber davon aus, dass ich volles Risiko gehen muss", sagt Hambüchen.

Längst turnt der Ex-Weltmeister am Königsgerät nicht mehr das schwierigste Programm. Die Chinesen Zhang Chenglong und Zou Kai und vor allem der Vorkampfbeste Epke Zonderland aus den Niederlanden sind da klar vorbeigezogen. Doch mit jedem Zehntelpunkt mehr steigt auch das Risiko. Die saubere Ausführung ist nach wie vor wichtig.

Beim Spazieren mit Vater Wolfgang, Mentalcoach und Onkel Bruno und seiner Freundin Caroline hat sich das einstige Wunderkind für seine letzte Chance zur Vollendung motiviert. Im Herbst beginnt Hambüchen ein Studium an der Sporthochschule Köln. Das Turnen wird ziemlich in den Hintergrund treten. (sid, lü; DER STANDARD, 7.8.2012)