Aus Andreas Kronabitters Hütte wurde nicht nur die Angelausrüstung, sondern auch ein Sechs-Kilo-Karpfen gestohlen.

Foto: Standard/Wölfl

Dürnkrut - Die March ist ein sanfter Fluss, fast grün im Ton, umrandet von dichten Auwäldern, voll von langen, schweren Karpfen und Hechten. An ihrem Ufer stehen hölzerne Hütten auf Pfählen. An Kränen hängen viereckige Fischernetze, die man mit einer Kurbel ins Wasser lassen kann. Beim "Daubelfischen" muss man sich nicht aus der Hütte wegbewegen, nur ab und zu das Netz hochkurbeln. "Am besten, wenn gerade ein Fisch darüber schwimmt", sagt Andreas Kronabitter.

"Wenn wir den Kerl erwischen, dann wird er auch hinauf- und hinuntergehoben", sagt einer der Fischer, die in der Hütte von Herrn Kronabitter sitzen. Es geht um einen Dieb, der angeblich aus dem slowakischen Dorf Suchohrad auf der anderen Seite der March kommt und in Fischerhütten einbricht. Ludwig Junker wurde eine Steige Bier, Zigaretten und eine Adidas-Jacke gestohlen. Herrn Kronabitter die Angelausrüstung und was noch viel schlimmer ist, ein Sechs-Kilo-Karpfen. "Als das Bundesheer hier noch Patrouille gegangen ist, da war Ruhe", sind sich die Männer einig.

"Gesetzloser Zustand"

Nicht nur die Fischer sind aufgebracht. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter, auch Präsident des Arbeiterfischereiverbandes, spricht von einem "gesetzlosen Zustand im niederösterreichischen Grenzgebiet". "Waren seit Jahren vorerst organisierte grenzüberschreitende Fischdiebstähle zu beklagen, stehen nun Raubzüge und Überfälle von slowakischen Banden auf der Tagesordnung", ließ er per Aussendung wissen. Eine Art "Bürgerwehr" plane bereits Selbstjustiz.

Die March ist ein an sich unschuldiger Fluss, in dessen Mitte allerdings eine Staatsgrenze liegt. Deshalb ist sie umgeben von Geschichten über Leute von "drüben", die herüben etwas anstellen. "Die Staatsgrenze ist auch die Reviergrenze", sagt Johann Istvanek, Obmann des Fischereivereins Dürnkrut. Allerdings gelten in der Slowakei andere Gesetze. "Drüben" darf man mit lebenden Ködern fischen, und es gelten andere Schonzeiten. "Wir sind mit den Slowaken in Verhandlungen. Einer vom Fischereiverband hat sogar bestätigt, dass die herüber zu uns fahren, um zu fischen", sagt Istvanek. Kronabitter meint, die Slowaken sollten sich an die Schonzeit anpassen, "wenn sie zu uns gehören wollen".

"Richtige Raubzüge"

Auch Kräuter betont, dass "Fische klauen ein strafbares Delikt ist". Es ginge aber nicht nur um die Fische, sondern um richtige Raubzüge. Er will eine parlamentarische Anfrage stellen, damit Polizeiposten nachbesetzt werden. Die FPÖ fordert in einer Aussendung sogar die temporäre Aussetzung des Schengenabkommens. "Ost-Einbrecherbanden stoppen", schreiben die Blauen.

Im Westen der March, in der Hütte von Herrn Kronabitter glaubt man, dass es sich genau genommen um einen Mann handelt. Dieser wurde in Badehose mit einer großen Zange in der Hand von einer Wildtierkamera fotografiert. "Man weiß, wo er wohnt, man hat das Foto, aber es passiert nichts. Und das soll die EU sein? Das ist mir zu hoch!", sagt Junker. Und Kronabitter meint: "Man verliert den Glauben an den Rechtsstaat. Auch der Landeshauptmann rührt sich nicht."

Gute Kooperation

Der Dieb habe bereits in fünfzig Hütten eingebrochen, man sei zur Selbstverteidigung bereit, so die Fischer. Im Innenministerium betont man, dass die Festnahme eine "Frage der Zeit" sei. "Es gibt einen EU-Haftbefehl und verstärkten Polizeieinsatz", so der Sprecher Karl-Heinz Grundböck. Man kooperiere gut mit der Slowakei.

Die March ist ein sanfter Fluss, etwa 70 Meter breit. Zurzeit kann man sogar durchwaten. Es ist allerdings schwer, die March zu überqueren, ohne nass zu werden. 22 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gibt es an 91 Kilometern nur eine einspurige Autobrücke in Hohenau und eine Fähre in Angern, die man bei Hoch- und Niedrigwasser nicht benutzen kann. Zwei Drittel der Bürger in Angern sind zwar für eine Autobrücke, deren Bau wird aber seit Jahren verschoben.

Drüben auf der slowakischen Seite gibt es viel weniger Hütten und Fischer. Herr Junker hat offenbar Kontakt zu "drüben": "Die Fischer dort werden auch bestohlen", erzählt er. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 6.8.2012)