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Ein brennender Flussbagger, der dem illegalen Goldabbau diente. Die Kehrseite des lukrativen Geschäfts: tausende Hektar abgeholzter Regenwald, vergiftete Flüsse, Ausbeutung, Prostitution.

Foto: reuters/ENRIQUE CASTRO-MENDIVIL

Verheißung und Verdammnis liegen nahe beieinander in Madre de Dios im peruanischen Amazonas: Der Millionärsstrand grenzt an "das Labyrinth", das Paradies an die "kleine Hölle". Es sind Namen, die das Gold schrieb. Seit Jahrhunderten hat sich der feine, glitzernde Staub im Sand der Amazonasflüsse angesammelt. Aus den Eingeweiden der Anden herausgewaschen von kristallklaren Flüssen, über halsbrecherische Wasserfälle und durch Schluchten hinabgerissen bis ins tropische Tiefland, wo sich die wilden, eisigen Fluten in träge, schlammige Tropenflüsse verwandeln. Die das Gold ablegen im schweren, dunklen Sand, zermahlen zu Pulver. Nirgendwo sonst gibt es so feines reines Gold wie hier. Niemals war der Goldpreis so hoch wie jetzt. Und das ist die Tragödie von Madre de Dios.

Stellenweise hat sich der artenreiche Regenwald in Sandwüsten verwandelt, in eine Mondlandschaft, durchlöchert von Kratern und flankiert von Baumskeletten. Mittendrin Ansammlungen ärm licher Holzhütten, abgedichtet ge- gen den Regen mit blauen Plastikplanen: Goldgräbercamps, Nomadensiedlungen auf Abruf. Es gibt kein Trinkwasser, keinen Strom, keine Schulen und keine Straßen - aber improvisierte Supermärkte, Apotheken, Tankstellen, Bars und Bordelle. Und wer mag, kann sich das überteuerte Angebot gegen Gold aufwiegen lassen.

Schweißtreibende Arbeit

Knietief steht Adán Quispe (Name auf Wunsch geändert, Anm.) in einem Krater aus Sand, zehn Meter tief, 80 Meter Durchmesser. Schweiß rinnt seinen nackten Oberkörper herunter. Er ist von Moskitos zerstochen, einige Wunden sind entzündet. An die klirrende Kälte des Andenhochlands ist er gewöhnt, die brütende Hitze des Dschungels zehrt. Doch das zählt jetzt nicht. Konzentriert saugt der Goldsucher mit einem Schlauch unter dem ohrenbetäubenden Lärm des Dieselgenerators feuchten Sand in einen Trichter.

Dort wird der Sand mit Wasser versetzt und rieselt ein paar Meter dahinter auf eine Rutsche, belegt mit faserigem Teppich. "Chupadera", der Schlucker, heißt die hier erfundene Maschine unter den Goldschürfern. Was darin hängen bleibt, ist "Arenilla", der Sand, in dem sich der Goldstaub versteckt. Mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Nur manchmal zaubert die Sonne ein verführerisches, flüchtiges Glitzern.

Der Sand wird mit Besen aus dem Teppich herausgelöst und in Eimern mit Quecksilber versetzt, um das Gold zu binden. Ungeduldig rührt Adán mit bloßer Hand in dem kleinen Sieb aus Naturfasern, um den Prozess zu beschleunigen. Die Klumpen erhitzt er anschließend mit einer Art Bunsenbrenner, um das Quecksilber wieder zu verdampfen. Das ist der magische Moment, in dem alle innehalten. So viele Hoffnungen ruhen auf dem unförmigen gelben Etwas, einmal so klein wie eine Kaffeebohne, dann wieder so groß wie ein Wachtelei. Der Traum vom eigenen Haus, von einem Auto, vom Studium für die Kinder. Aber mancher Traum dauerte nur wenige Stunden, so mancher Reichtum wurde ebenso schnell verspielt, versoffen, verhurt oder gewaltsam entrissen. So manche Leiche wurde namenlos in einem der vielen Krater verscharrt. Ein Tribut an die Götter, glauben die Goldsucher. Damit Mutter Erde sich weiterhin großzügig zeigt.

Arme Schlucker, Verbrecher

Das Edelmetall zieht alle in den Bann: Arme Schlucker aus dem Hochland, entlaufene Schwerverbrecher, die Drogenmafia, asiatische Triaden-Bosse und sogar die Ureinwohner des Amazonas, die auf ihrem Stammesgebiet schürfen. Auch multinationale Bergbaukonzerne sollen das illegale Gold aufkaufen - und dann legal exportieren, klagen Umweltschützer. Bis zu 600 Soles, rund 180 Euro, kann Adán mit seiner Schufterei am Tag verdienen. Mehr als ein Richter oder ein Minister verdient. Und in Peru liegt viel Gold: 2,5 Milliarden Dollar haben die Exporte im Vorjahr eingebracht; das Andenland ist der sechstgrößte Goldproduzent weltweit.

Im Zuge des Goldrauschs ist die Provinzstadt Puerto Maldonado in nur fünf Jahren um 40 Prozent gewachsen. Importeure von Baggern und Lastwagen wie Yamaha und Caterpillar machen in dem Urwaldnest, in das bis vor einem Jahr keine geteerte Straße führte, Millionenumsätze. Mehr als 50.000 Bauern und Tagelöhner kamen in die grüne Hölle des Amazonas. Verzweifelte Familienväter und skrupellose Abenteurer, die nichts zu verlieren haben.

So wie Adán. Für ihn ist Zeit Gold. Der 25-Jährige rackert auf Kommission in 24-Stunden-Schichten. Findet er etwas, bekommt er 25 Prozent, der Rest geht an den Besitzer der Konzession, der Maschinen wartet, Treibstoff und Essen bereitstellt. Acht Gramm findet Adán an guten Tagen. Manchmal ein halbes Kilo - oder auch gar nichts. Die Flussbetten sind tückisch und ändern von Jahr zu Jahr ihren Lauf. Wo heute Urwald ist, war vor 50 Jahren vielleicht ein Fluss. Um das herauszufinden, muss man die Bäume fällen und die Erde aufwühlen.

Alarmrufe an Regierung

32.000 Hektar Urwald wurden in der Region bereits abgeholzt, "Fische gibt es kaum noch, und die wenigen sind wegen der Schwermetallbelastung ungenießbar", sagt César Ipenza von der Umweltschutzorganisation SPDA: "Das Gold aus dem Amazonas trägt Ausbeutung, Habgier, Korruption und Umweltzerstörung in sich."

Mittlerweile stehen die Gold sucher vor den Toren des größten Naturparks in Madre de Dios, die Regierung hat endlich die Alarmrufe erhört. Er packe "den Stier bei den Hörnern", verkündete Präsident Ollanta Humala. In den vergangenen Monaten zerstörte das Militär Dutzende Maschinen, rationierte die Spritversorgung, verbot den Kauf von Gold und räumte die Camps. Es gab Proteste, drei Tote und einige Erkenntnisse über die illegalen Geschäfte und ihre Verzweigungen bis nach Europa - vor allem, als Zwischenhändler wie Oro Fino und UMT unter die Lupe genommen wurden.

Noch im Vorjahr habe UMT illegal und am Fiskus vorbei über die Airline KLM mehr als 19 Tonnen Gold im Wert von 900 Millionen Dollar in die Schweiz geflogen und der Firma MKS Finance in Genf übergeben, berichtete die Zeitung El Comercio unter Berufung auf Dokumente der Staatsanwaltschaft. Oro Fino habe unter dem Namen AS Peru & Cia 2011 vier Tonnen illegales Gold in die Schweiz geliefert, Empfänger sei die Firma Pamp in Genf gewesen. Perus Exporteuren drohen nun acht Jahre Haft wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Zu den Schweizer Importeuren äußerte sich die Staatsanwaltschaft nicht. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 5.8.2012)