Immerhin dürfte die Demonstration von etwa 1500 Bürgern in Klagenfurt den Machthabern gezeigt haben, dass manche Leute sich doch nicht alles gefallen lassen.

Dennoch ist in Kärnten und in ganz Österreich die Erregung über die nahezu ununterbrochene Abfolge von Skandalen nicht besonders groß. Zumindest nach außen hin. Faktum ist doch, dass es sieben Jahre, während der schwarz-blau-orangen Regierungszeit, offenbar ein erstaunliches Level an Korruption - immer begleitet von umfassender Inkompetenz, zumindest bei FPÖ/BZÖ - vorhanden war. Der Staat war in den Händen von Abzockern.

"Das Volk" hat das entweder schon immer vermutet und ist nur noch zynisch (was teilweise wahrscheinlich zutrifft) - oder es gibt eine andere Erklärung für das Schmähstadsein so vieler Mitbürger. Für die Abwesenheit einer breiten Empörung oder für das Nichtauftauchen von Reformbewegungen.

Die Erklärung könnte darin liegen, dass die Hoffnungen eines doch sehr bedeutenden Teiles der Wählerschaft auf einen "anständigen" Politiker, auf eine "anständige" Partei bitter enttäuscht wurde. Jörg Haider war für bis zu einem Drittel der Wahlbürger wirklich eine Lichtgestalt gegenüber dem als korrupt und verkrustet empfundenen "rot-schwarzen System". Nun stellt sich jeden Tag klarer heraus, dass er das genaue Gegenteil von "fleißig und anständig" war und dass seine Kumpane, Vasallen und Taschlträger dort weitergemacht hatten, wo er schicksalsbedingt aufhören musste. Was wir hier sehen, ist die Schockstarre der früheren Gläubigen. Die Haiderei schien eine Alternative zu den etablierten Parteien zu sein. Sie ist es nicht mehr.

Die wenigen Teilnehmer der öffentlichen Debatte - Journalisten, Politiker, Experten -, die Haiders kriminelle Scharlatanerie und die unveränderliche Natur der FP von Anfang erkannt und bekämpft haben, müssen jetzt an sich halten, um nicht zu erklären: "Das haben wir euch immer gesagt, aber ihr wolltet es nicht wissen".

Aber das würde nichts bringen. Die Frage ist, wie wieder eine Teilnahme engagierter Bürger an der Politik und dem öffentlichen Leben erreicht werden kann. Es sind ja nicht nur die schlichteren Gemüter, sondern auch gebildetere, aktivere Bürger von der Politik abgestoßen. Die Skandale sind eine Sache, eine andere ist, dass über Lebensfragen wie etwa die, wie es nun mit der EU weitergeht, kaum mehr diskutiert wird.

Die Antwort, die an dieser Stelle schon mehrfach gegeben wurde: Wenn die Regierungspolitik nichts mehr entscheiden und gestalten will, muss der Bürger sich das selbst machen. Es sind ja schon Reformbewegungen, Initiativen entstanden, aber zu wenige und zu wenig effektive.

"Direkte Demokratie" - ab jetzt machen wir über alles eine Volksabstimmung - ist nicht der Königsweg. Das ist missbrauchsanfällig. Besser wäre, es bilden sich Reformbewegungen, die an ein zwei konkreten Problemen ihre Mobilisierungskraft erproben und dann , bei Erfolg, in die "normale" Politik einsteigen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 4.8.2012)