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"Rum Diary": Johnny Depp versteckt sich hinter Sonnenbrillen.

Foto: ap / Wild Bunch Germany/Peter Mountain

Wien - Normalerweise verläuft die Geschichte andersrum: Ein Mann aus dem Westen kommt mit guten Absichten in ein südlich gelegenes Land, büßt dort in der Hitze seinen Idealismus ein und verfällt zunehmend dem Laster. In der Hunter-S.-Thompson-Adaption "Rum Diary" tritt Johnny Depp als Alter Ego des Autors bereits verkatert seine neue Stelle bei einer englischsprachigen Zeitung in San Juan an. Zumindest wirft ihm das sein übellauniger Chefredakteur (Richard Jenkins) vor, weil er sich weigert, die Sonnenbrille abzunehmen. Laissez-faire-Attitüden wie diese sind auf Puerto Rico zu Beginn der 60er-Jahre unter Journalisten offenbar weit verbreitet.

Hinter "Rum Diary" steckt einiges an persönlichem Engagement: Thompsons zweiter Roman, den er in seinen Zwanzigern schrieb (und dabei auf eigene Erfahrungen zurückgriff), wurde erst 40 Jahre später veröffentlicht - Johnny Depp, der mit dem späteren Erfinder des Gonzo-Journalismus befreundet war, spielte dabei und als Produzent nun auch bei der Verfilmung eine maßgebliche Rolle.

Eigentlich verbindet man mit dem US-Star jedoch Terry Gilliams halluzinatorische Thompson-Adaption "Fear and Loathing in Las Vegas" aus dem Jahr 1998. "Rum Diary", nunmehr in der Regie des Briten Bruce Robinson ("Withnail and I"), weicht im Tonfall davon gehörig ab und erzählt in gemessenem Tempo und weit weniger trippig davon, wie sich dieser Paul Kemp mit den Widersprüchen einer Insel vertraut macht, die von sozialen Unruhen wie auch von gerissenen US-Immobilien-Spekulanten heimgesucht wird.

Plan verfolgt er aber keinen: Die Bekanntschaften fliegen ihm eher zu, und daraus ergeben sich Verwicklungen, die der Film ohne viel Nachdruck verfolgt. Die Burleske ist nie weit entfernt - einmal flüchten Kemp und sein Fotografenfreund Sala (Michael Rispoli) in einem schrottreifen Auto, das wie in einem Louis-de-Funès-Film in seine Einzelbestandteile zerfällt.

Eine politische Schlag seite erhält der Film durch den reichen US-Amerikaner Sanderson (Aaron Eckhardt), der Kemps schreiberische Kompetenz für eine windige Investition gewinnen will. Der Journalist fühlt sich allerdings mehr von den flirtenden Blicken von dessen Freundin Chenault (Amber Heard) angezogen. Wohl deshalb lässt er sich auf die Geschichte ein - die Dramaturgie übernimmt dann immer mehr der Rum, der in dieser Gegend von besonderer Reinheit sein soll.

So wie der Held wirkt auch "Rum Diary" zu fahrig und unfokussiert. Das Bild einer Zufallsgemeinschaft auf einer amerikanischen Außenstation, in der sich unterschiedliche Interessen und Sensibilitäten der Zeit abbilden, bleibt viel zu unscharf. Und Johnny Depp wirkt in der Rolle des jungen Herumtreibers, der schließlich seine Berufung entdeckt, schlicht etwas zu alt. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 2.8.2012)