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Asylwerberunterbringung im Burgenland: Ein einziges Hotelzimmer für sechs Personen.

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Gerümpel in den Gängen und sichtbarer Renovierungsbedarf.

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Oberwart/Wien - Im Juli, an einem Wochentag, sind die kleinen Dörfer des Südburgenlands scheinbar menschenleer. Niedrige Häuser mit geschlossenen Jalousien reihen sich am Straßenrand, dazwischen Geschäftslokale, vielfach verrammelt - sowie, hin und wieder, ein Wirtshaus.

Die meisten dieser Beherbergungsbetriebe könnten von den wenigen, selbstzahlenden Gästen, die es in die saftig-grüne Gegend verschlägt, nicht leben. Daher haben sich einige Gastronomen auf die Asylwerberunterbringung verlegt - im Rahmen der Grundversorgungsvereinbarung aus dem Jahr 2004 (siehe Wissen am Ende des Artikels). Das bringt den Wirten, wenn auch wenig üppige, so immerhin fixe Einnahmen.

Zweifelhafte Eignung der Wirte

Doch so mancher von ihnen scheint für die Betreuung von Menschen auf der Flucht ungeeignet zu sein: "Die Wirtsleute gehen mit uns autoritär und diktatorisch um. Sie sind Ausländern gegenüber voreingenommen. Beim kleinsten Regelverstoß schreien sie uns an und drohen, schon dafür sorgen zu wollen, dass wir einen negativen Asylbescheid bekommen", schildert ein junger Flüchtling, der im Bezirk Oberwart untergebracht ist - und aus Furcht vor Negativfolgen anonym bleiben will.

"Wer nur fünf Minuten zu spät zum Essen erscheint, erhält gar nichts mehr. Klopapier wird nur blätterweise ausgegeben, der Strom in den Zimmern bei Tag manchmal abgedreht. Und wenn Besuch kommt, darf er oft nicht ins Haus. Wir müssen uns dann vor der Haustür, im Freien, unterhalten", ergänzt ein Zweiter.

Fotos und Videos, die dem STANDARD vorliegen, dokumentieren zudem wenig einladende Wohn- und Lebensbedingungen: Gerümpel in Gängen und Durchgangszimmern, Duschkabinen, in denen der Dreck von Jahren klebt, ein Hotelzimmer, in dem sechs Menschen - Eltern und vier kleine Kinder - untergebracht waren, und vieles mehr.

Unerwünschte Ehrenamtliche

Ort des Treffens mit den Untergebrachten ist die Terrasse hinter einem Haus in Kirchfidisch, bei einem Mitglied der Plattform Bleiberecht Burgenland, eines Zusammenschlusses Ehrenamtlicher, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Asylwerbern der Region im Alltag beizustehen: "Wir kümmern uns um Schulprobleme der Kinder, fahren schwangere Frauen zum Gynäkologen, vermitteln, wenn nötig, Psychotherapie", schildert Plattform-Mitarbeiterin Gerlinde Grohotolsky.

Doch diese Hilfe ist vielfach unerwünscht. "Bei den Problemwirten der Region - es gibt auch andere, wo die Versorgung gut klappt - haben wir Hausverbot", schildert Grohotolsky.

Auch den Asylwerbern werde von Gastronomenseite jeder Kontakt untersagt - und das Land nehme das einfach zur Kenntnis. Tatsächlich hatte während der Fahrt nach Kirchfidisch im Auto einer Aktivistin das Telefon geläutet: Die Wirtin eines Unterbringungsgasthauses hatte gesehen, dass einer ihrer Schutzbefohlenen von einer Ehrenamtlichen abgeholt worden war - und hatte sich sofort bei der Diakonie beschwert, von wo aus nachgefragt wurde, was denn los sei.

Diakonie: "Unhaltbare Zustände"

Die Diakonie hat im Burgenland die Asylwerber-Sozialberatung inne - mit 3,5 Vollzeitposten für 650 Klienten. "Wir sind sehr froh, dass sich die Plattform für die Asylwerber so engagiert. Wir hätten nicht die Ressourcen dafür", sagt dort Dagmar Hanifl.

Auch sie spricht von "unhaltbaren Zuständen" in einzelnen Gasthäusern. Zwar sei die Situation derzeit nirgends so skandalös wie in jenem Ex-Bordell in der burgenländischen Gemeinde Sieggraben, das nach Medienberichten über löchrige Dächer, kaputte Elektroleitungen und Schimmel an den Wänden im Frühjahr geschlossen werden musste. Doch mangels verbindlicher Qualitätskriterien für die Asylwerberunterbringung seien konkrete Verbesserungsforderungen schwer durchzusetzen.

Genau so einen Kriterienkatalog werde man "bis September" erarbeiten, sagt Christian Frasz vom Büro des zuständigen Landesrats Peter Rezar (SPÖ). Kritik werde aber auch jetzt schon ernstgenommen - "wenn wir von ihr hören". Nur beim Flüchtlingsbeauftragten des Landes, Stefan Kroyer, ist das offenbar noch nicht angekommen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir solche Kriterien brauchen", meint er. (Irene Brickner, DER STANDARD, 2.8.2012)