Steinhauser (li.) und Jorquera finden wenige Gemeinsamkeiten.

Foto: Der Standard/Fischer

"Wenn ich lese, dass auf Piratentreffen von den Grünen als Kampflesben geredet wird, finde ich das menschenverachtend."

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"Wir sehen, dass sich die Grünen stark an die Koalitionsparteien anbiedern, um einmal in die Regierung zu kommen."

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STANDARD: Müssen die Grünen Angst vor den Piraten haben?

Albert Steinhauser: Nein, warum auch? Wir sind aber auch nicht überheblich, die Piratenpartei ist ein Mitplayer auf der politischen Bühne.

STANDARD: Als Außenstehender hat man den Eindruck, dass die Piraten derzeit nur mit sich selbst beschäftigt sind - und dauerstreiten.

Rodrigo Jorquera: Das ist das, was gerne aufgegriffen wird. Wir haben vergangene Woche ein Treffen mit vielen Bürgerinitiativen gehabt, bei dem wir gezeigt haben, dass es intern sehr viel programmatische Arbeit gibt. Diskussionen bezüglich Inhalte sind doch in Ordnung.

Steinhauser: Ich habe ja auf das Projekt Piraten mit einer gewissen Neugier reagiert, bin aber jetzt verwundert über euren Stil. Beispiele: Wenn ich im Standard lese, dass auf Piratentreffen von den Grünen als Kampflesben geredet wird, finde ich das schlicht menschenverachtend. Wenn ihr in einer Aussendung schreibt, die Grünen seien Teil eines korrupten Systems, ist das absurd und eine öde Wadlbeißerei. Dafür hätte es keine neue Partei gebraucht.

Jorquera: Ich habe ja die Grünen auch einmal sehr geschätzt, bis vor kurzem. Was Sie da zitieren be züglich unseres Stammtisches: Das war ein Interessent, der das erste Mal dabei war.

Steinhauser: Teil des korrupten Systems! Das ist FPÖ-Jargon.

Jorquera: Bitte! Das Unterbrechen ist auch so eine FPÖ-Art. Wir sehen, dass sich die Grünen sehr stark an die Koalitionsparteien anbiedern, um auch einmal in die Regierung zu kommen. Ich habe vor diesem Gespräch getwittert, dass ich Meinungen zu den Grünen bräuchte. Da haben sehr viele grüne Mitglieder geklagt, dass sie sich nicht gehört fühlen.

Steinhauser: Geh! Da diskutiert ein Albert Steinhauser mit, nur das bin nicht ich. Mit Fakenamen kann sich da jeder als Grüner ausgeben. Es ist absurd zu behaupten, die Grünen würden sich anbiedern, weil wir maßgeblich an der Aufdeckung von Korruption mitwirken.

STANDARD: Sind die Grünen der Hauptgegner der Piraten?

Jorquera: Nein. Dass die Grünen bei der Korruptionsaufdeckung aktiv sind, sehen wir sehr wohl. Wir waren entsetzt, dass die Grünen als Steigbügelhalter für diesen ESM-Vertrag für den permanenten Eurorettungsschirm fungiert haben. Ich sehe bei ihnen einfach keine Mitsprache der Basis. Sie wollen nach der Einführung des Parkpickerls in Wien erst die Bevölkerung befragen - das geht doch einfach nicht.

Steinhauser: Mich wundert, dass die Piraten nicht eine Partei mit Aufmerksamkeitsdefizit wie die Wiener ÖVP kritisieren, die das wichtige Instrument der direkten Demokratie für eine Parteikampagne missbraucht haben.

Jorquera: Das kommt. Gute Idee!

STANDARD: Wo sehen Sie die größten Unterschiede?

Steinhauser: Zuerst eine Gemeinsamkeit: Es gibt ähnliche Sichtweisen bei Netzpolitik, Überwachung und Datenschutz. Die Grünen sind aber mehr als eine One-Issue-Partei. Was sagen die Piraten zur gemeinsamen Mittelschule oder zur Vermögenssteuer?

Jorquera: Wir sind absolut für Vermögenssteuern und die gemeinsame Mittelschule. Wir sehen uns als Plattform für alle möglichen Bürger und Initiativen. Die klassische Ideologie ist für uns passé.

STANDARD: Ist die FPÖ menschenverachtend?

Jorquera: Es gibt teilweise schon Aussagen, die menschenverachtend sind.

Steinhauser: Teilweise? Das lasse ich so stehen.

STANDARD: Lauft man nicht Gefahr, eine Wischiwaschi-Partei zu sein?

Jorquera: Das hören wir oft: keine Ideologie, keine Richtung. Effektiv geht es darum, Vorschläge einzubringen und abzustimmen.

Steinhauser: Warum wissen Sie jetzt schon, dass die Piraten für Vermögenssteuern und eine gemeinsame Mittelschule sind?

Jorquera: Die Papiere der Taskforces waren in diese Richtung.

Steinhauser: Aber wurde schon abgestimmt?

Jorquera: Bei der Umfrage stimmten 62 Prozent dafür. 480 Leute waren beteiligt. Darf ich fragen, wie die Entscheidung zum ESM-Vertrag bei Ihnen zustande kam?

Steinhauser: Am Bundeskongress gab es die Grundsatzentscheidung samt Verhandlungsauftrag, und dann wurde verhandelt. Das Ergebnis ist im erweiterten Bundesvorstand und unter den Abgeordneten diskutiert worden.

Jorquera: Ich habe vorhin Zahlen genannt. Wie viele Leute von der Basis waren da eingebunden?

Steinhauser: Ach, ich hab das zigfach diskutiert und dutzende Kontakte gehabt.

Jorquera: Seid ihr sicher, dass eure Zustimmung zum ESM-Vertrag dem Willen der Basis entspricht?

Steinhauser: Der Vertrag wird beim nächsten Bundeskongress im Herbst Thema sein. Wir werden dort unser Abstimmungsverhalten erklären und diskutieren. Ich nehme Sie gerne mit!

STANDARD Die Piraten wollen ja alle Lager ansprechen - was sind die Angebote an die Konservativen?

Jorquera: Wir wollen uns beispielsweise verstärkt für die Rechte von Klein- und Einzelunternehmern einsetzen.

STANDARD: Mit dem Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens wird man da nicht landen?

Jorquera: Ich lehne alle Positionen, die menschenverachtend sind und Leute ausschließen, ab. Wo es um Sachthemen geht, suchen wir die Zusammenarbeit.

Steinhauser: Wir lehnen so ein Grundeinkommen ab. Es führt zu Lohndumping und dazu, dass wahrscheinlich sämtliche anderen staatlichen Leistungen etwas kosten werden. Auch werden wohl weitere Gruppen vom Erwerbsleben ausgeschlossen. Wir sind für eine funktionierende Grundsicherung.

Jorquera: Wir sehen das Gegenteil von Lohndumping. Wie das dann genau aufgeteilt wird, muss man noch durchrechnen.

STANDARD Sie wollen bei den Nationalratswahlen im Herbst 2013 antreten. Wie soll das gehen?

Jorquera: Uns helfen gerade die anderen Parteien, so wie sie sich gerade darstellen - Stichwort Kärnten -, sehr dabei.

STANDARD: Sind die Grünen von der Ursprungsidee der Basisdemokratie mittlerweile abgekommen?

Steinhauser: Auch am Beginn gab es immer klare Verantwortlichkeiten. Natürlich war das System nicht so austariert. Es sind Personen gewählt worden, die verantwortlich Politik machen, die haben natürlich Beschlüsse von der Basis mitbekommen.

STANDARD: Braucht es einen Chef?

Steinhauser: Ich glaube, dass es zumindest nicht falsch ist, an der Spitze jemanden zu haben, der Verantwortung trägt.

Jorquera: Das ist sekundär. Diskussionen über Inhalte werden bei uns hoffentlich nie aufhören.

STANDARD: Spätestens bei Wahlen, wo Listen erstellt werden, gibt es eine Nummer eins, oder?

Jorquera: Das wird basisdemokratisch entschieden. Natürlich kann es auch Machtkämpfe geben. Aber wenn wir Transparenz leben wollen, müssen wir auch diese unangenehmen Phasen durchtragen.(Julia Herrnböck/Peter Mayr, DER STANDARD, 2.8.2012)