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Die Zeit läuft den Griechen davon.

Foto: reuters/kolesidis

Athen - Griechenland prüft angesichts schwindender Barbestände die Ausgabe zusätzlicher einmonatiger Anleihen im August. Dies erfuhr Reuters am Mittwoch von einem Insider aus dem Athener Finanzministerium, der namentlich nicht genannt werden wollte. Vize-Finanzminister Christos Staikouras hatte am Dienstag Alarm geschlagen und gesagt, die Barreserven seien fast bei Null. Binnen Wochen könnten wichtige Staatsaufgaben nicht mehr erfüllt werden, wie die Bezahlung der Polizei und anderer Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Im August muss das Land eine fällige Anleihe im Volumen von 3,2 Mrd. Euro bedienen. Die internationalen Geldgeber haben dem Land eine Finanzierung für August zugesagt, die Details sind aber offen.

Entscheidung nicht gefallen

"Eine der Optionen, die geprüft werden, sind mehr kurzfristige Anleihen", sagte der Insider. "Wir sprechen mit unseren Partnern darüber. Eine abschließende Entscheidung ist noch nicht gefallen." Die griechische Zeitung "Kathimerini" berichtete unterdessen, die Schuldenagentur PDMA des Landes habe beschlossen, im August einmonatige Papiere im Volumen von sechs Mrd. Euro zu begeben statt wie üblich von drei bis vier Milliarden. Die monatlichen Anleihen sind der einzige Kontakt des Landes zum Geldmarkt.

Die drohende Finanzierungslücke im August beschäftigt die Experten schon länger. Vergangenen Monat war ein Überbrückungskredit von den internationalen Geldgebern ins Gespräch gebracht worden.

Ringen um Sparpaket

Die griechische Regierung ringt inzwischen weiter um das neue milliardenschwere Sparpaket. Die Vorsitzenden der an der Regierung beteiligten Sozialisten (PASOK) und der Demokratischen Linken (DIMAR), Evangelos Venizelos und Fotis Kouvelis, wollten sich am Mittwoch erneut mit dem konservativen Regierungschef Antonis Samaras treffen, um über die Sparmaßnahmen von 11,5 Milliarden Euro zu verhandeln. Es ist das dritte Treffen innerhalb weniger Tage. Solange es keine Einigung gibt, können die internationalen Geldgeber, deren Experten derzeit die Sparfortschritte in Athen prüfen, kein grünes Licht für weitere Finanzhilfen geben.

Die Zeit drängt, weil Griechenland das Geld ausgeht. Die Staatskassen sind fast leer. Weil Athen bei seinen Sparverpflichtungen auch wegen der Parlamentswahlen im Frühjahr ins Hintertreffen geraten ist, blockieren die Geldgeber der Troika von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Auszahlung weiterer Hilfsgelder.

Streitpunk Laufzeit

Die Regierungsparteien hatten sich zwar bei wesentlichen Eckpunkten des Sparpakets angenähert, sie streiten sich jedoch dem Vernehmen nach über die Laufzeit und bestimmte noch schärfere Einsparungen für Sozialschwache und Rentner. Der Riss geht zwischen den Konservativen und dem parteilosem Finanzminister Ioannis Stournaras auf der einer Seite, die für die sofortige Billigung des neuen harten Sparprogramms plädieren, und den Sozialisten und der Demokratischen Linke auf der anderen Seite. Letztere befürchten, die neuen Sparmaßnahmen könnten zu explosiven Zuständen in der Gesellschaft führen. Ihrer Ansicht nach sollte zuerst die Verschlankung des Staates in Angriff genommen werden, bevor über neue Kürzungen von Renten und Löhnen nachgedacht werde. Falls sich die Parteispitzen nicht in Kürze einigen, läuft Athen Gefahr, dass der Geldhahn zugedreht wird und das Land bankrottgeht.

Die Krise in dem Land macht sich im vierten Jahr der Wirtschaftskrise inzwischen auch demografisch bemerkbar. Die legal in Griechenland lebende Bevölkerung ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als eine Million Menschen geschrumpft. Dies ist das erste Ergebnis einer Volkszählung, die im vergangenen Jahr durchgeführt wurde und deren Ergebnisse am Mittwoch in der griechischen Presse veröffentlicht wurden. Die Nationale Statistische Behörde (ELSTAT) zählte demnach 9.903 268 legal in Griechenland lebende Einwohner. 2001 lebten in Griechenland fast 11 Millionen Menschen.

Griechische Medien führten den Bevölkerungsrückgang auf die schwere Finanzkrise zurück. Viele Griechen sind ins EU-Ausland ausgewandert. Zudem gebe es einen sehr starken Rückkehrerstrom von Zehntausenden legal in Griechenland lebenden Albanern in ihr Heimatland. Größter Ballungsraum ist Athen. Es gibt keine Angaben über die ohne Aufenthaltserlaubnis lebenden Migranten. Die Behörden schätzen sie auf mehr als eine Million. (APA, 1.8.2012)