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Sicco bei Aleppo, 31. Juli 2012: Kämpfer der "Free Syrian Army" führen einen "Verräter" ab

Foto: epa

Damaskus/London - Der Kampf um die syrische Metropole Aleppo tobt weiter. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht in dem Angriff der Regierungstruppen auf die Stadt den Höhepunkt eines monatelangen brutalen Vorgehens gegen Andersdenkende. Das schreibt Amnesty in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht, der auf Recherchen der Menschenrechtsorganisation von Ende Mai in Aleppo basiert. Die UNO-Generalversammlung beriet unterdessen über eine neue Syrien-Resolution, eine Entscheidung darüber wird allerdings nicht vor Donnerstag fallen, zudem ist die Resolution nicht bindend.

Der Report von Amnesty International dokumentiert nach Darstellung der Organisation, wie Regierungstruppen und die regimetreue Shabbiha-Miliz Protestierende getötet und verletzt haben. Betroffen seien auch Unbeteiligte und Kinder gewesen, schreibt Amnesty. Verletzte seien gejagt worden. Folter sei routinemäßig eingesetzt worden. Auf Proteste habe die Staatssicherheit mit rücksichtslosem und brutalem Einsatz von Gewalt reagiert.

Youtube-Video zeigt Hinrichtung Gefangener

Ein am Dienstag von Aktivisten auf Youtube veröffentlichtes Video zeigt indes, wie Unterstützer von Staatschef Bashar al-Assad in Aleppo von Aufständischen hingerichtet werden. Zu sehen sind bewaffnete Männer, die "Lang lebe die Freie Syrische Armee" rufen, gefangene mutmaßliche Mitglieder des Stammes al-Berri auf einen Platz führen. Einer der Gefangenen hat das Gesicht voller Blut und ist fast nackt. . Er wird mit weiteren Gefangenen an eine Wand gestellt, während die Rebellen "Gott ist groß" rufen und dann das Feuer eröffnen.

Die Lage der Zivilbevölkerung in der zweitgrößten Stadt Syriens immer katastrophaler. Aufständische und Regimetruppen lieferten sich am Dienstag erbitterte Gefechte. Hunderttausende sind bereits geflohen, viele andere sitzen fest. Die unübersichtlichen Fronten ziehen sich mitten durch Wohngebiete. Nach UN-Angaben leiden mindestens zwei Millionen Menschen unter der Gewalt im Land.

Humanitäre Katastrophe droht

Die Aufständischen kämpften sich in Aleppo nach eigenen Angaben Richtung Stadtzentrum voran. Das Militär beschoss die Viertel in Rebellenhand mit Artillerie und Hubschraubern. Nach Angaben von Aktivisten droht eine humanitäre Katastrophe. Mindestens 70 Menschen starben in Syrien binnen weniger Stunden. Allein etwa 40 Polizisten sollen nach Angaben der syrischen Menschenrechtsbeobachter in Aleppo getötet worden sein, als Hunderte Rebellen in mehrstündigem Kampf zwei Polizeistationen in den Vierteln Salihin und Bab al-Nairab eroberten.

"Wir schieben nun die Front in Richtung Stadtzentrum vor", sagte Abu Omar al-Halebi, ein örtlicher Kommandant der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA), der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Nach Halebis Darstellung attackierten die Kämpfer weitere zentrale Einrichtungen des Regimes von Machthaber Bashar al-Assad, darunter das Militärkrankenhaus und das Hauptquartier der herrschenden Baath-Partei. Die Angaben lassen sich von unabhängiger Seite nicht überprüfen, weil Journalisten und andere Beobachter unter den Kriegsbedingungen kaum arbeiten können.

Der syrische Dissident und Menschenrechtsanwalt Haitham al-Maleh erklärte indessen, ein neues Oppositionsbündnis habe ihn mit der Bildung einer syrischen Exil-Regierung mit Sitz in Kairo beauftragt. Er werde "mit allen Kräften der Opposition sprechen", sagte Al-Maleh bei einer Pressekonferenz in der ägyptischen Hauptstadt. Der 70 Jahre alte ehemalige Richter ist ein langjähriger Kritiker des Assad-Regimes. Aus politischen Gründen saß er mehrfach im Gefängnis. Zuvor hatte bereits der oppositionelle Syrische Nationalrat Gespräche zur Bildung einer Übergangsregierung im Exil angekündigt.

Großoffensive der Regierungtruppen

In Aleppo versuchen die Regierungstruppen seit Samstag, die Aufständischen mit einer Großoffensive aus der strategisch wichtigen Handelsstadt zurückzudrängen. Bisher scheint das Regime vor allem auf Bombardements aus der Luft und Artilleriebeschuss zu setzen, um die Aufständischen in ihren Stellungen mürbe zu machen. Die in der Stadt Zurückgebliebenen suchten zu Tausenden Schutz in Moscheen und öffentlichen Gebäuden, sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Melissa Fleming, in Genf.

In der Hauptstadt Damaskus attackierten die Aufständischen nach eigenen Angaben Kontrollpunkte der Sicherheitskräfte beim palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk und in den Stadtteilen Al-Tadamun und Al-Kassas. Dabei setzten sie automatische Waffen und Panzerfäuste ein, wie Aktivisten berichteten. Die Regimetruppen versuchten, die Rebellen mit Artillerie auf Distanz zu halten. (APA, 1.8.2012)